Protestmarsch und Kundgebung

ICE-Ausbesserungswerk: Heftiger Gegenwind aus Allersberg

27.6.2021, 12:22 Uhr
Eine beeindruckende Kondition bewiesen die Protestierenden bei ihrem flotten Marsch, während dem sie trotz Maskenpflicht unentwegt laut skandierten.   

© Jürgen Leykamm, NN Eine beeindruckende Kondition bewiesen die Protestierenden bei ihrem flotten Marsch, während dem sie trotz Maskenpflicht unentwegt laut skandierten.   

„Wir müssen uns beeilen – sonst ist alles vorbei!“ So ist es zu hören, als sich in Allersberg rund 50 Demonstranten vom Marktplatz zum Bahnhof aufmachen. Es soll Tempo gemacht werden beim Protest gegen die Pläne der Bahn, vor der Haustür des Marktes ein ICE-Instandhaltungswerk zu errichten. Am Ziel angekommen fordern etliche Redner ein Überdenken des Vorhabens.

Davor aber liegen zweieinhalb schweißtreibende Kilometer, während derer Bewältigung die Marschierenden eine beeindruckende Kondition an den Tag legen. Trotz Masken und unentwegt lautem Skandieren geht es flott voran.


ICE-Werk bei Allersberg und Pyrbaum erhitzt die Gemüter


Entlang der Strecke ist dezente Polizeipräsenz zu bemerken, doch die Ordnungshüter haben keinen Grund einzugreifen. Auch wenn die Sprechchöre einiges an Lautstärke erreichen. Aber die ist vernachlässigbar im Vergleich zu der Lärmbelästigung, welche die Protestierenden befürchten, falls die Bahn hier zum Zug kommt: „130 Dezibel Tag und Nacht!“ Den Zug selbst führt Walter Marx an, örtlicher Vorsitzender des Bund Naturschutz, der gemeinsam mit der neuen Bürgerinitiative Harrlach zu der Aktion aufgerufen hat.


ICE-Werk: Harrlach hat viele Fragen an die Bahn


Es ist jener Ortsteil, der unter dem Bahnbau am stärksten zu leiden hätte. Deswegen sollen die Bahnfunktionäre die Finger von dem Dorf und vom Bannwald lassen, so die lautstark wiederholten Forderungen. Kurz vor Erreichen des Ziels werden Plakate und Flyer am Gasthaus von Petra Welker vorbeigebracht: „Ich unterstütze Euch gerne!“, sagt die Gastronomin, während ein Gast eher skeptisch ist – wenn alles auf die Gleise soll, müsse dafür auch ein Preis bezahlt werden.

Als bei der Unterführung dem Tross mit einigen Pferden Transportmittel der alten Zeit entgegenkommen, wird es kurz leise, um sie nicht zu verschrecken. Nach dem Tunnel aber branden die Chöre wieder auf. Laut werden die Demonstranten von rund weiteren 50 Gleichgesinnten am Bahnhof empfangen – mit dem Harrlacher Oskar Eckstein ist auch ein sehr rüstiger Senior mit dabei, der heuer noch seinen 85. Geburtstag feiert.

65 Fußballfelder roden

Eine große Gruppe ist aus Wendelstein angereist. „Den Wald dort drüben dürft Ihr Euch einfach wegdenken“, mit diesen Worten tritt Jürgen Amrhein, einer der Sprecher der Bürgerinitiative, ans Mikrofon. Denn für das Werksgelände müssten bis zu 45 Hektar, etwa die Größe von 65 Fußballfeldern, gerodet werden. Die ökologische Verkehrswende „darf nicht zum Nullsummenspiel verkommen“, fordert nicht nur er.

Neben der Flächenversiegelung seien hier noch Lärm und Lichtverschmutzung sowie das Absinken des Grundwasserspiegels zu erwarten. Zugleich wehrt sich der Redner gegen den Vorwurf, die Initiative handle nach dem Floriansprinzip, stehen doch insgesamt neun Standorte zur Disposition: „Wir wollen nicht, dass die Bahn woanders baut, sondern dass die Bahn anders baut“.


ICE-Werk: Warum die Standortsuche so schwierig ist


Und auf gar keinen Fall im für das Kleinklima der Region so wichtigen Bannwald, zu dem auch der Forst bei Harrlach zählt. Damit befindet er sich „in der höchsten Schutzkategorie“, wie Forstdirektor a.D. Manfred Kinzler unterstreicht. „Wenn sich die Bahn an bestehende Gesetze hält, ist die Sache schnell entschieden.“

Keine der neun möglichen Flächen geeignet

Als Standort käme dann garantiert nicht jener bei Allersberg infrage, das Areal könnte dann höchstens „als Ausgleichsfläche dienen“. Ohnehin habe man die Planungen der Bahn „zu einem Werk dieser Größe erst für einen schlechten Scherz gehalten“, so Stefan Pieger, zweiter Kreisvorsitzender des Rother BN. Geeignet für ein solches sei keine der neun Flächen. Bei Allersberg würde so ein Vorhaben zudem mehrere Trinkwasserschutzgebiete berühren und einem Vogelschutzgebiet dem Garaus machen.

„Die Bahn plant, als gäbe es keinen Klimawandel“, hält er ihr ebenso vor: „Der Nürnberger Reichswald ist kein Bahnwald, sondern ein Bannwald!“, bringt Pieger es griffig auf den Punkt.

Es stünde dem Unternehmen besser zu Gesicht, kleiner zu planen und das Projekt auf dem Gebiet einer Industriebrache umzusetzen. Ruppert Zeiner als Kreisvorsitzender des Landesbundes für Vogelschutz zählt unter anderem den Schwarzstorch und den Ziegenmelker auf, die durch das ICE-Werk ihren Lebensraum verlieren würden: „ein kapitaler Planungsfehler!“. Außerdem sei es irrsinnig, hier zu roden und andernorts anzupflanzen.

Das Geschäftsgebaren der Bahn prangert Boris Czerwenka an, Sprecher der Grünen im Kreis. Vorschläge für eine kleinere Planung habe der Konzern abgelehnt, weil man dann zu viel rangieren müsse. Die eigenen innerstädtischen Flächen hingegen seien von ihm verkauft worden. Mit dem Hintergedanken, dass sich das Instandhaltungswerk ja irgendwo anders bauen lasse: „Und das ist dann wieder der Wald – das kann ich nicht akzeptieren“.