Verliererromantik

"Eine katastrophale Liebe": Der neue Roman von Heinz Strunk

1.9.2021, 11:41 Uhr

© Christian Charisius/dpa

Weit hat es der namenlose Protagonist nicht gebracht auf Gottes weitem Erdenrund. Mitte 40, die Karriere als Popmusiker ist ausgeträumt, wenigstens sorgt das Ein-Mann-Tonstudio für ein solides Auskommen. Es könnte schlechter laufen.

Doch dann, Auftritt Vanessa: Irgendwas mit Schauspielerei und so jung und wunderschön, dass unser Antiheld seine längst erstarrte Langzeit-Beziehung - eine nette Lehrerin - abschießt, sich Hals über Kopf in die neue Beziehung schmeißt und das kummervolle Fleisch fortan wieder auf Partys schleppt, auf die er schon vor zehn Jahren keine Lust mehr hatte. Obwohl: Beziehung? So recht verbindlich mag es nicht anlaufen mit dieser Vanessa, die zwar einen Grund nennt, warum sie den verwelkenden Indie-Rocker datet, die aber halt leider auch ein Bündel an unübersehbaren Problemen mit sich herum trägt ...

Traurige Pimmel

Heinz Strunk: Es ist immer so schön mit dir.‎ Rowohlt Buchverlag, Hamburg. 288 Seiten, 22 Euro.

Heinz Strunk: Es ist immer so schön mit dir.‎ Rowohlt Buchverlag, Hamburg. 288 Seiten, 22 Euro. © Rowohlt Buchverlag/Montage: Sabine Schmid

"Eine katastrophale Liebe" prangt hinten auf dem Einband von Heinz Strunks jüngstem Streich "Es ist immer so schön mit Dir". Ein schlimmer Roman, möchte man hinzufügen. Da ist zu allererst das Thema: Junges Ding verliebt sich in grauen Panther, der sie fürderhin an seiner destillierten Lebensweisheit teilhaben lässt. Eine einzige Männerfantasie (oder besser: Männerhoffnung) und ein Evergreen nicht erst seit diversen einschlägigen frisch-/walser-/kirchhoff-/houellebecq'schen Pimmelromanen.

Gleichwohl entfachen die tiefpessimistisch grundierten Bilder eine grimmige Heiterkeit und eine nicht zu unterschätzende Sogwirkung. Es säftelt aus allen Poren, die Stimmung ist überwiegend verzweifelt. So richtig viel passiert nicht, aber Stil über Story war bei Strunk ja schon immer Programm. In Fall des Hamburger Autors ist die Form entscheidend: also wie hier ge- und beschrieben wird.

Auch in "Es ist immer so schön mit Dir" empfiehlt sich der 59-Jährige als präziser Beobachter seiner Umgebung, der den tobenden, bisweilen absurden Gedankensturm im Kopf seines Protagonisten schonungslos und mit aller gebotenen Boshaftigkeit auf Blatt wirft. Nicht das Älterwerden ist das Problem - die damit einhergehende Hoffnungslosigkeit ist es, die fertig macht. Strunks Helden sind Getriebene - traurige Geister in ihrer eigenen Welt, deren kümmerliche Leben sich wie eine Laborstudie vor ihnen auffächert.


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Dass sie alle mehr oder weniger nah am Alkohol gebaut haben ("Ein Brandy am Nachmittag macht einen weichen Gang, sagt Onkel Dings"), gestaltet die Sache nicht besser. Die komikhafte Tristesse, die wie eine Dunstglocke über dieser episodenhaften Milieustudie hängt, ist beeindruckend. Eigentlich haben hier schon längst alle aufgegeben - und die, die noch kämpfen, wirken fast noch trostloser.

Mitunter gerät die zelebrierte Verliererromantik ein wenig anstrengend, zumal Strunk schon in seinen letzten Arbeiten nicht nur zunehmend zynischer wirkte, sondern vor allem auch immer weniger Mitleid mit seinen Figuren zeigte. Wie gesagt, kein schönes Buch. Ich habe es mit Vergnügen gelesen.

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