Prenzlauer Berg

DDR-Trilogie: "Leander Haußmanns Stasikomödie"

19.5.2022, 09:22 Uhr
Szene aus "Leander Haußmanns Stasikomödie" mit David Kross (rechts) als junger Autor Ludger Fuchs am Prenzlauer Berg.

© Constantin Szene aus "Leander Haußmanns Stasikomödie" mit David Kross (rechts) als junger Autor Ludger Fuchs am Prenzlauer Berg.

Ein junger Mann steht am Leninplatz bei Rot an einer Fußgängerampel. Die Straßen sind ausgestorben, aber rot ist rot, und der Mann steht. Liest ein Buch. Der Wind fegt wie im Western einen Ballen Tumbleweed über die leere Fahrbahn. Plötzlich Drama: Ein Lastwagen droht ein drolliges Kätzchen zu überfahren, doch der Fußgänger hadert. Erst als die Ampel in letzter Sekunde umspringt, rennt er los und rettet das schutzlose Tier.

Das ist die durchaus gelungene Einstiegsszene in "Leander Haußmanns Stasikomödie", dem dritten Film des Regisseurs in seiner 1999 mit "Sonnenallee" begonnenen DDR-Trilogie. Und wie der Titel schon sagt: Hier hat die Stasi die Finger im Spiel. Ein sinistrer Offizier namens Siemens (Henry Hübchen) kontrolliert die Ampel per Knopfdruck als eine Art Gesinnungstest. Staatsbürger Ludger Fuchs (David Kross) hat mit Bravour bestanden – er darf dienen in einer neuen Einheit gegen die NEG-DEK – die "negativ-dekadente Szene" im Prenzlauer Berg.

"Das Lachen der Menschen hebelt jeden Diktator aus"

Darf man sich über die DDR-Staatssicherheit lustig machen – eine Institution, die Hunderttausende überwacht und schikaniert hat, viele verfolgt und gequält? Klar darf man, sagte Haußmann in einem Interview, "sonst hätte ja auch Charlie Chaplin nie 'Der große Diktator' über Adolf Hitler drehen dürfen".

Bei ihm geht es also um Ludger Fuchs, einen braven jungen Mann mit Seitenscheitel und Oberlippenbart, der sich nach dem überstandenen Abenteuer an der roten Fußgängerampel von der Stasi anwerben lässt. Bevor er sich in die Künstlerszene einschmuggelt, verwuschelt er sich noch schnell die Haare und bekommt vom "Genossen Doll vom Zoll" eine aus einem Westpaket beschlagnahmte Levi's Jeans.

Dann bezieht er seinen Posten in einer Altbauwohnung, schreibt und spielt E-Gitarre – alles Tarnung, versteht sich. Doch da ist eine sehr schöne Frau, genau genommen nicht nur eine, da sind Feste mit halluzinogenen Getränken und Allen-Ginsberg-Gedichten und verkleideten Fabelwesen. Und es kommt, wie es kommen muss: zu Verwicklungen.

Haußmann, der mit "Sonnenallee" Millionen ins Kino zog, den Deutschen Filmpreis gewann, und dann 2004 etwas weniger spektakulär "NVA" nachlegte, nennt die "Stasikomödie" seinen persönlichsten Film. Er feiere nicht die Stasi oder die DDR, sondern die Jugend und die Freude am Leben.

Dafür drückt das Ensemble dann auch ganz schön auf die Tube. Die schnauzbärtigen Stasi-Offiziere kommen nicht gut weg. Hübchen nuschelt sich mit schlecht sitzenden Gebiss – "aus einem Billiglabor irgendwo in Tschechien" – durch seine Rolle als alternder Führungsoffizier. Bis zum überzeichneten, finalen Knalleffekt.

So wird die Stasi, die in der DDR-Realität für Schrecken und Unterdrückung sorgte, zur lachhaften Gurkentruppe. Und man darf schon fragen, ob das alles nicht eigentlich ein überholter Abklatsch dessen ist, was vor über 20 Jahren in "Sonnenallee" noch recht originell erschien.

Auch hier sind wieder Detlev Buck und Alexander Scheer dabei, daneben Jörg Schüttauf und Tom Schilling, Antonia Bill, Margarita Broich und Deleila Piasko. Und der wirklich fabelhafte David Kross, der nach monatelangem Casting als junger Antiheld Ludger Fuchs besetzt wurde. Ihm soll besonders die Einstiegsszene gefallen haben.

Haußmann selbst stellt zu seinem Intro fest, dass heute alle "selbst bei leerer Straße an der roten Ampel stehen". Das habe es früher bei den jungen Menschen am Prenzlauer Berg nicht gegeben. Er findet, "ein ganz klein wenig ziviler Ungehorsam bringt uns weiter." (114 Min.)

In diesen Kinos läuft der Film.

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