Nach einem wahren Fall

"Der Mauretanier": Jodie Foster als taffe Häftlings-Anwältin

14.7.2021, 10:56 Uhr
Jodie Foster spielt die Anwältin Nancy Hollander.

© Graham Bartholomew/Tobis Film/dpa Jodie Foster spielt die Anwältin Nancy Hollander.

Häftlinge in signalorangefarbenen Overalls, die auf dem blanken Boden knien. Solche Bilder vom US-Internierungslager Guantánamo-Bay auf Kuba und den empörenden Zuständen dort haben sich ins Gedächtnis eingebrannt. Vor allem in den Jahren nach 9/11. In letzter Zeit sind sie etwas verblasst, schließlich bestimmte ein unberechenbarer Präsident lange die Schlagzeilen aus den USA.

Das Justiz-Drama "Der Mauretanier" des amerikanischen Regisseurs Kevin Macdonald rückt Guantánamo nun wieder in den Fokus – und hat das Zeug, die Empörung neu anzufachen. Im Grunde reicht dafür ein Blick auf den Wikipedia-Eintrag zum Thema. Doch mit der wahren Geschichte eines Gefangenen, einem tadellos spielenden Star-Ensemble und einer geschickten Inszenierung wird aus dem Stoff auch sehenswertes und aufwühlendes Kino.

"Der Mauretanier" beginnt mit der Verhaftung von Mohamedou Ould Slahi in seiner Heimat kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Slahi war gerade aus Deutschland zurückgekehrt, wo der clevere junge Mann mit einem Stipendium Elektrotechnik studierte. In den 90er Jahren hatte er sich in Afghanistan allerdings auch von Al-Quaida ausbilden lassen.

Sie solle ihm das Essen warmhalten, ruft er seiner Mutter zu, als er verschleppt wird, er komme bald zurück. Man ahnt, dass das nicht der Fall sein wird, als die Frau im Auto-Rückspiegel immer undeutlicher wird. Der Film wird sechs Jahre aus Slahis Leben erzählen.

Nach einer Gefängnisodyssee landet er 2002 schließlich in Guantánamo. Dort wird er insgesamt 14 Jahre nicht mehr sein, als Häftling Nummer 760, den man verdächtigt, in Deutschland jene Männer rekrutiert zu haben, die die Flugzeuge in die Twin Towers des World Trade Centers lenkten. Eine Anklage oder gar Beweise gibt es nicht.

Ist Mohamedou Ould Slahi (Tahar Rahim) schuldig oder unschuldig in Guantánamo? Für seine Verteidigerin (gespielt von Jodie Foster) spielt das keine Rolle. Sie kämpft dafür, dass er einen ordentlichen Prozess bekommt.

Ist Mohamedou Ould Slahi (Tahar Rahim) schuldig oder unschuldig in Guantánamo? Für seine Verteidigerin (gespielt von Jodie Foster) spielt das keine Rolle. Sie kämpft dafür, dass er einen ordentlichen Prozess bekommt. © Tobis- Verleih

Im Film schlüpft der fantastische französische Schauspieler Tahar Rahim in Slahis Rolle. Er zeigt den Gefangenen als charmanten und geistig hellwachen Mann. Was etwas irritiert angesichts der brutalen Verhör- und Foltermethoden – von Waterboarding und Schlägen bis zu sexueller Nötigung und Schlafentzug –, die die Bush-Regierung genehmigt hat und damit gegen Menschen- und Völkerrechte verstieß.

Regisseur Macdonald gelingt es aus diese Weise immerhin, jede Art von Rührseligkeit zu vermeiden. Seine Personalaufstellung könnte man als konstruiert bezeichnen, wäre sie nicht von der Realität belegt: Als beinharter, aber am Ende wandlungsfähiger Chefankläger Stuart Couch tritt Benedict Cumberbatch auf, dessen Auftrag es ist, die Todesstrafe für Slahi durchzudrücken.

Seine Gegenspielerin verkörpert Jodie Foster, die sich als abgeklärte und schmallippige Anwältin Nancy Hollander ab 2005 für den Gefangenen einsetzt. Wie in "Das Schweigen der Lämmer" von 1991 begibt sich die Oscar-Preisträgerin wieder in die düstere Atmosphäre eines Gefängnisses, diesmal auf Kuba. Sie spielt ihre Rolle so taff, dass fast von selbst klar wird: Ihrer Figur geht es um das Rechtsprinzip, nach dem jedem Häftling ein ordentlicher Prozess mit Anklage und Beweisen zusteht. Nicht um Schuld und Unschuld, schon gar nicht um Emotionen. Dafür tritt sie auch gegen den Staat an.

Genau das kristallisiert sich nach und nach als Botschaft des Films heraus, der die Schuldfrage bis zuletzt offen lässt. Für den gefühligeren Part ist die Rolle von Hollanders Assistentin Teri Duncan (Shailene Woodley) gedacht, die auch mal an Slahis Aufrichtigkeit zweifelt.

Beklemmende Bilder

Eine konventionelle, gradlinige Erzählung oder ein reines Gerichtsdrama hatte Macdonald bei all dem nicht im Sinn. Es dauert etwas, bis man seine raschen Schnitte, Orts- und Zeitsprünge sortiert bekommt. Doch die Bewegung fordert die Aufmerksamkeit und sichert weitgehend die Spannung. Und wenn sich bei Aufnahmen in Slahis Zelle das Bildformat kaum merklich verengt, wird auch die beklemmende Situation des Häftlings spürbar.

Dessen Qualen spart der Regisseur nicht ganz aus. Die dazugehörigen Geheimprotokolle werden schließlich auch Hollander und Couch zugespielt. Das gibt dem Fall eine neue Wendung, wenn auch kein glückliches Finale. Das kommt erst im Abspann, also im wahren Leben Slahis. Und es mutet fast zu versöhnlich an. Noch heute sind 40 Männer in Guantánamo inhaftiert. (130 Min.)

In diesen Kinos läuft der Film.

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