Stadtrat zufrieden: "Kulturhauptstadt ist unsere große Liebe"

30.9.2020, 19:59 Uhr
"Wir sind in Runde 2": Mit Plakaten bedankte sich das Kulturhauptstadt-Bewerbungsbüro zu Beginn des Jahres. Am 28. Oktober entscheidet sich, ob Nürnberg unter fünf verbliebenen deutschen Bewerberstädten das Rennen macht.

© Michael Matejka "Wir sind in Runde 2": Mit Plakaten bedankte sich das Kulturhauptstadt-Bewerbungsbüro zu Beginn des Jahres. Am 28. Oktober entscheidet sich, ob Nürnberg unter fünf verbliebenen deutschen Bewerberstädten das Rennen macht.

Von der Haushalts-Schockrede des Nürnberger Kämmerers nahtlos zum Lob für die abgeschlossene Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas 2025 - das war ein Kontrastprogramm am Mittwoch im Rathaussaal.

Mehr als 500 Millionen Euro neue Schulden in den nächsten vier Jahren, im Jahr 2030 vielleicht schon insgesamt fünf Milliarden. Ein Sich-eigentlich-nicht-mehr-leisten-Können auf ganzer Linie, dazu "toxische" Wirtschaftsdaten durch Corona: Harald Riedel (SPD) entwarf ein dramatisches Szenario in der ersten Sitzung nach der Sommerpause. Und dann koste die "Liebe zur Kulturhauptstadt" den Stadthaushalt auch noch 30 Millionen Euro im Fall des Titelgewinns. Mindestens. Das Bewerbungsbüro plant inklusive aller Zuschusszusagen mit einem Gesamtbudget von 103,2 Millionen Euro.

Chance für die Stadtentwicklung

Jetzt wäre die vorerst letzte Gelegenheit für Zweifel gewesen – aber niemand nutzte sie. "Wir sind verliebt ins Gewinnen", bekräftigte Oberbürgermeister Marcus König (CSU). Kulturbürgermeisterin Julia Lehner (CSU) unterstrich bei der Vorstellung des finalen Bewerbungsbuchs für die Stadträte: "Das ist ein Konjunkturprogramm, das soziale Entwicklung für diese Stadt bedeutet."

Zustimmung erhielten sie durchweg: von Alexandra Thiele (Die Guten), den Kultur-Fraktionssprecherinnen Natalie Keller (Grüne) und Kerstin Böhm (CSU, "Kulturhauptstadt ist einfach unsere große Liebe") sowie von SPD-Fraktionschef Thorsten Brehm. Die Kulturhauptstadtbewerbung bilde viele "Notwendigkeiten" der Nürnberger Stadtentwicklung ab, sagte Brehm. Der Titel brächte die Chance, durch Kunst und Kultur Themen und internationale Fragestellungen zu verhandeln, die durch die Corona-Krise noch deutlicher hervorgetreten seien, etwa Flüchtlingspolitik oder Digitalisierung.


+++ Endspurt um den Titel: Wer wird Kulturhauptstadt Europas 2025? +++


Zwei der Abgeordneten, die 2016 im Stadtrat gegen die Bewerbung gestimmt hatten, zeigten sich gestern versöhnt. Jan Gehrke (ÖDP) räumte ein, dass ihn die Langfrist-Ziele für eine breiter angelegte Kulturpolitik heute überzeugten. Jürgen Dörfler (Freie Wähler) äußerte nur Skepsis, was die geplante kulturelle Nutzung der Kongresshalle betrifft. "Wir möchten nicht, dass an diesem Ort ein zweiter Z-Bau entsteht." Der Z-Bau ist ein von subkulturellen Initiativen genutztes, von der Stadt aufwändig saniertes Zentrum.

Politbande-Vertreter Ernesto Buholzer Sepúlveda forderte, die in der Corona-Krise existenzbedrohte Kulturszene auch unabhängig von glanzvollen Projekten im Bewerbungsbuch weiter zu unterstützen.

Wer versteht eigentlich das "Bid Book"?

Die einzige Kritik, eine ganz handfeste, äußerte Kathrin Flach Gomez für die Linke: Das 100-seitige, vorerst nur auf Englisch erhältliche "Bid Book" sei "sprachlich nicht unbedingt leicht zugänglich" verfasst. Ihre Oma zum Beispiel, so die junge Stadträtin, bekäme bei der Lektüre sicher Schwierigkeiten. Dafür erhielt sie Zuspruch vom Stadtoberhaupt. "Das ist mir auch so gegangen", gab Marcus König zu. "Aber wir schreiben es nicht für die Oma, sondern für die Jury und ihre Vorgaben."

Es sei daher auch Aufgabe der Stadtratsmitglieder, gab König dem Plenum mit, die Kulturhauptstadtsache emotional nach draußen zu übersetzen. Vorausgesetzt nur noch, die Jury entscheidet sich am 28. Oktober für Nürnberg.

Unser Videoformat "Kulturbeutel" begleitet Akteure und Akteurinnen der regionalen Kulturszene.

Verwandte Themen


1 Kommentar