Die Kanzlerin in Etsdorf

Warum Angela Merkel hoch zu Ross in die Oberpfalz kommt

8.10.2021, 17:55 Uhr
Frisch enthüllt: Das Reiterstandbild von Angela Merkel.

© Marcus Rebmann Frisch enthüllt: Das Reiterstandbild von Angela Merkel.

Ein Reiterstandbild für Angela Merkel? Im Ernst? Dass eine öffentliche Würdigung zu Pferd im Jahr 2021 den meisten Menschen so absurd erscheint wie eine Pferdekutsche bei der Formel 1, weiß auch Wilhelm Koch. Und hat der Kanzlerin doch dieses würdigende Denkmal gesetzt. Oder ist es ein ironischer Kommentar, zum Beispiel auf die Kanzlerin im Feldzug gegen die Taliban?

Das weiß man bei dem umtriebigen Künstler, Verleger und Leiter des Amberger Luftmuseums sowie des Tempel-Museums in Etsdorf nie so ganz genau. Und genau das macht den Reiz seiner Arbeiten aus. Fakt ist: Die lebensgroße Kanzlerin ist jetzt enthüllt. In der Oberpfalz. Hoch zu Ross. Im typischen Hosenanzug. Die Hände zur Raute geformt. Ganz wie man sie kennt also.

Fast drei Meter hoch

Auf einen Sockel für seine 2,70 Meter hohe, lebensgroße Skulptur aus recyceltem Leichtbeton hat Koch verzichtet. Die Kanzlerin ist schließlich bodenständig. "So geerdet, wie Angela Merkel Politik gestaltet hat, wird sie als Reiterin präsentiert", meint Koch. Das heißt konkret: Auf einem Rasenstück vor dem Tempel-Museum mit Blick nach Osten, fest thronend auch ohne Sattel und Zaumzeug und im sicheren Stand ihres Reittiers, einem American Quarter Horse.

Einblick in den Produktionsprozess

Einblick in den Produktionsprozess © © additivetectonics

Nun weiß man, dass die Kanzlerin gerne in die Oper geht, gerne kocht und gerne wandert. Von ausgeprägter Zuneigung für Vierbeiner im Allgemeinen und Gäule im Besonderen war nie etwas zu hören. Das ist natürlich auch Till Briegleb bewusst. Der Autor und Journalist hat ein Buch über Reiterstandbilder in Europa geschrieben. Jene Monumente also, an denen man in Städten achtlos vorbeieilt und meist nur raten kann, wer denn da tonnenschwer verewigt wurde.

Die uralten sechsbeinigen Gedenkskulpturen auf ihren repräsentativen Plätzen und in Schlossparks werden heute allenfalls als antiquierte Triumphpose und völlig unbrauchbare Form politischer Repräsentation wahrgenommen. Nach dem Ende der europäischen Kaiser- und Königsherrschaften fielen sie in eine Art Bedeutungsschlaf.

Der wurde kürzlich empfindlich gestört: In der Black-Lives-Matter-Bewegung entbrannte im Amerika Donald Trumps ein Streit über die Reiterstandbilder der Südstaatengeneräle und damit über die eigentliche Funktion dieser Denkmäler. Schließlich preisen sie den Krieg und dessen erfolgreichste, damit also die grausamsten und gewalttätigsten Kämpfer.

1,5 Tonnen schwer

Aus den Darstellungen von Krieger und Pferd wurde aber in den allermeisten Fällen inhaltsleerer Vergangenheitskitsch, so der Autor. "Oder kann sich irgendwer Angela Merkel als Reiterstandbild vor dem Kanzleramt vorstellen?" fragt er seine Leser. Ja, kann ich wohl, dachte sich Wilhelm Koch, in dessen Amberger Verlag das Briegleb-Buch erschienen ist und in dessen Etsdorfer Tempel Museum die Bilder dazu ausgestellt sind. Er machte sich ans Werk.

Das bringt 1,5 Tonnen auf die Waage, ist mit Bronze beschichtet und steht jetzt eben nicht vor dem Kanzleramt in Berlin, sondern vor dem Tempel-Museum in der Gemeinde Freudenberg (Landkreis Amberg-Sulzbach). Was aber auch irgendwie zur reitenden Regierungschefin passt, derweil der Tempel explizit als Symbol für 2500 Jahre Demokratie und Bürgersinn eingerichtet wurde - und als Hort des europäischen Gedankens.

Verwandte Themen


Keine Kommentare