Familiengeschichte

In dritter Generation: Wie Reinhard Krause den jüdischen Friedhof Zeckern pflegt

6.11.2021, 10:29 Uhr
Reinhard Krause pflegt den jüdischen Friedhof Zeckern ehrenamtlich - in dritter Generation. 

© Claudia Freilinger, NN Reinhard Krause pflegt den jüdischen Friedhof Zeckern ehrenamtlich - in dritter Generation. 

Rot-weißes Absperrband umgibt den Grabstein. „Vorsicht, der wackelt schon richtig“, sagt Reinhard Krause. Der 60-Jährige, dessen Familie den jüdischen Friedhof Zeckern seit Jahrzehnten pflegt, hat heute Besuch aus München. Joino Pollak vom Landesverbands Israelitischer Kultusgemeinden in Bayern ist zur Inspektion vor Ort und legt die Hand auf den mit Moos bewachsenen Stein.

„Zeckern gehört zu den Top Ten“, sagt der Dezernent, der 124 Friedhöfe betreut. Er meint die Weite des Grundstücks und die Pflegeintensität der Grabfelder. Der größte jüdische Friedhof liegt in München, es folgt Kleinbardorf in der Rhön. „In Zeckern kann ich mich immer darauf verlassen, dass alles ganz wunderbar gepflegt ist“, lobt Pollak. „Bei uns muss der Laubrechen glühen“, scherzt Reinhard Krause über das ehrenamtliche Engagement seiner Familie. Die 15.000 Quadratmeter große Fläche mit Hunderten Bäumen und rund 800 Grabsteinen in Schuss zu halten - diese Aufgabe hat Krause von seinem Vater Adolf geerbt. Der wiederum hatte sie übernommen von Opa Karl.

Schon als Kind zwischen den Grabsteinen unterwegs

„Unser Band zu diesem Friedhof ist historisch gewachsen“, erzählt Reinhard Krause. Als sein Großvater nach dem Weltkrieg als geflüchteter Sudetendeutscher aus der Gefangenschaft frei kam, fand er in einem kleinen Zeckerner Fischerhäuschen ein Obdach, das in der Nähe der jüdischen Ruhestätte stand. Wie genau es dazu kam, dass er sich um den Friedhof kümmerte, kann sein Enkel nicht mehr sagen. Es gab kein religiöses Band, denn Familie Krause ist nicht jüdisch. Trotzdem sind alle Mitglieder ihr Leben lang mit diesem Stück Erde verbunden. „Ich war schon als kleiner Junge zwischen den Grabsteinen unterwegs“, erzählt Krause.

Joino Pollak vom Landesverband Israelitischer Kultusgemeinden in Bayern inspiziert einen Grabstein.

Joino Pollak vom Landesverband Israelitischer Kultusgemeinden in Bayern inspiziert einen Grabstein. © Claudia Freilinger, NN

Mehrere Stunden in der Woche verbringt er auf dem Friedhof. Es gibt immer was zu tun: Brombeeren schneiden, Zäune flicken, Äste entfernen, Grabsteine prüfen. „Dieses Engagement hat einen unschätzbaren Wert“, weiß Iono Pollak, der ganz andere Beispiele kennt. Nicht überall finden sich Menschen und Gemeinden, die sich um die Friedhöfe kümmern. „Herr Krause ist mit vollem Herzen dabei und das ist absolut wunderbar.“ Vor acht Jahren hat er die Verantwortung von seinem Vater übernommen, weil dessen Gesundheit es nicht mehr zuließ, dass er so viel auf dem Gelände unterwegs war.

Die Polizei fährt regelmäßig Streife

„Ich sehe es als Ausgleich zum Bürojob“, betont Krause, der nur eine kleine Aufwandsentschädigung bekommt. Der Leiter des Bauhofs überbringt an diesem Tag den Dank des Bürgermeisters und einen Gutschein für einen Restaurantbesuch. Natürlich kennt Reinhard Krause auf dem Friedhof inzwischen jeden Stein. Ab und zu entdeckt er Bonbon-Papiere oder Bierflaschen - Hinterlassenschaften von ungebetenen Gästen. Schändungsversuche hat er noch keine erlebt. „Zum Glück fährt die Polizei hier regelmäßig Streife und zeigt große Präsenz.“ Und neulich hat er sogar Besuch bekommen von Mitarbeitern der Polizeiinspektion Forchheim zu ihrem Wandertag. „Da habe ich meine allererste kleine Führung gegeben“, sagt er lächelnd. „Ich hätte genug Stoff für locker eine Stunde.“

Heute aber geht es um den Zustand des Friedhofs. Joino Pollak registriert fünf Grabsteine, die nicht mehr ganz standfest sind. Diese Information gibt er weiter nach Bamberg. Dort lebt eine Steinmetz-Familie, die sich - ebenfalls schon seit Generationen - darum kümmert, dass die Gedenksteine restauriert werden. Die Kosten übernimmt der Landesverbands Israelitischer Kultusgemeinden - „eine ordentliche Summe bei 124 Friedhöfen“, sagt Pollak, will aber keine Zahlen nennen. Andere Fachfirmen oder der Bauhof kümmern sich zum Beispiel um die Baumpflege, die Reinhard Krause und seine Familie nicht leisten können. „Für alles andere habe ich noch drei, vier Kumpels im Dorf, die helfen, wenn ich darum bitte. „Und seine Söhne? „Die waren auch schon hier“, sagt der 60-Jährige, „haben aber noch kein Interesse angemeldet, den Job mal zu übernehmen“. Es wird sich zeigen, ob die Familientradition weiterlebt.