Böhmermanns neue Show: Angriff auf Verschwörungstheoretiker

8.11.2020, 15:50 Uhr
Schickes Design für das neue "ZDF Magazin Royale". Ein bisschen mehr origineller Inhalt hätte der ersten Folge der neuen Sendung aber auch gut getan.

© Jens Koch/ ZDF Schickes Design für das neue "ZDF Magazin Royale". Ein bisschen mehr origineller Inhalt hätte der ersten Folge der neuen Sendung aber auch gut getan.

Inhaltlich hat sich im "ZDF-Magazin Royale" nicht viel verändert zur Vorgängersendung "Neo Magazin Royale", die im Spartenkanal ZDF neo beheimatet war. Das wichtigste Erfolgsrezept des Kabarettisten, Moderatoren und Musikers Jan Böhmermann besteht darin, politisch brisante Themenfelder mit Comedy ein bisschen - oder manchmal auch ein bisschen mehr - aufzumischen.

Berühmt wurde er mit der Behauptung, angeblich das Stinkefinger-Video des damaligen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis gefälscht zu haben. Zum Politikum wurde er durch sein Spottgedicht gegen den türkischen Präsidenten Erdogan.

Kein großer Coup zum Start

Auch nicht schlecht war es, wenn etwas ins Licht der Öffentlichkeit gerückt wurde, was die Beteiligten lieber im Dunkel des Stillschweigens gelassen hätten. Etwa die Tatsache, dass die Hohenzollern als Nachkommen des letzten deutschen Kaisers seit Jahren saftige Entschädigungsforderungen an den deutschen Staat stellen.

Zum Start seiner neuen Show konnte Böhmermann leider nicht mit einem vergleichbaren Coup aufwarten. Ein paar Tage zuvor hatte er einen Account auf dem russischen Messenger-Dienst Telegram gestartet. Der ist dafür berüchtigt, dass ihn alle möglichen Verschwörungstheoretiker inklusive Corona-Leugner als Sprachrohr benutzen.

In der Show zog Böhmermann zwar über ein paar sich dort tummelnde Pseudo-Promis wie den Wendler her, zauberte dann aber die These aus dem Hut, dass die eigentlich große Weltverschwörung darin bestehe, dass einigen wenigen Reichen fast alles gehöre, den meisten anderen Menschen aber so gut wie nichts. Das ist nicht neu, das ist nicht einmal schräg, das ist gerade mal eine Binse.

Man erfuhr also, wie unverschämt reich Microsoft-Gründer Bill Gates (eine beliebte Zielscheibe von Verschwörungstheoretikern) oder Amazon-Chef Jeff Bezos sind.

Als nächsten Pseudo-Clou kramte Böhmermann dann die Info hervor, dass viele deutsche Unternehmen den Grundstein ihres Reichtums in der Nazi-Zeit gelegt haben. Die BMW-Eigner Quandt und Klatten werden in so einem Zusammenhang fast zwangsläufig genannt, ebenso Ferdinand Porsche.

Dann ging es noch um den ehemaligen Unternehmensgründer und Wehrwirtschaftsführer in der Nazi-Zeit, Max Brose, in Coburg. Dessen Enkel Michael Stoschek drohte einst der Stadt, ihr seine Zuwendungen zu entziehen, falls nicht eine Straße nach seinem Großvater benannt würde. Und so geschah es dann auch.

Wie passend, dass Stoscheks Tochter Julia eine bekannte Kunstsammlerin ist, die ihre Kollektion aus Berlin abzog, nachdem ihr dort eine Mieterhöhung drohte. Darüber hinaus hat sie auch noch einen gemeinsamen Sohn mit Mathias Döpfner, dem Vorstandsvorsitzenden der meinungsmächtigen Axel-Springer-Mediengruppe. Wenn da mal nicht mehr dahinter steckt!

Letztere Info sprach Böhmermann nicht aus, sondern verwies auf den entsprechenden Wikipedia-Eintrag. Und genau das scheint auch die Quelle seiner übrigen Informationen über die Verschwörung der Reichen und früherer Nazi-Unternehmen zu sein: Das ist alles seit Jahren bekanntes, frei verfügbares und leicht zugängliches Wissen.

Böhmermann täuscht hier also Aufklärungsjournalismus nur vor. Die von seinem Team schnell herbeirecherchierten Infos dienen ihm als Vorwand, dass alles irgendwie mit allem zusammenhängt: Reiche mit Reichen, Reiche mit Medien, Reiche mit früheren Nazis usw. Schon ist die hauseigene Verschwörungstheorie fertig.


Jan Böhmermann in Fürth: Sexualorgane und Politik


Aber leider bedient sich Böhmermann damit haargenau der gleichen Methoden wie jene, die er kritisieren will. Und er zahlt in seiner Sendung dafür einen zu hohen Preis: Wenn Reiche und Nazis das eigentliche Problem sein sollen, bescheinigt er damit all den Verschwörungsfreaks und -trolls auf Telegram und Co. insgeheim, sie und ihre kruden, finsteren Pseudo-Theorien von den "Weisen von Zion" über QAnon bis zum "Deep State" seien gar nicht so schlimm.

Doch da hat Böhmermann unrecht: Deren Verschwörungstheorie-Viren sind viel gefährlicher und infektiöser als sein hausgemachtes Aufbauschen von Wohlbekanntem. Nach diesem schwachen Start hat das "ZDF-Magazin Royale" noch deutlich Luft nach oben.

Endlich im Hauptprogramm

Aber das kennt man ja von vielen Folgen des "Neo Magazin Royale" schon. Für die Fernsehzuschauer bedeutet das neue "ZDF Magazin Royale" also kaum eine Veränderung, für Jan Böhmermann selbst mag es aber ein riesiger Schritt sein. Denn damit ist er endlich dort angekommen, wo er nach eigenem, häufig wiederholtem Bekunden schon immer hinwollte: im "Hauptprogramm", wie er sehnsuchtsvoll das ZDF nennt. Das ist der Muttersender, dort nun ist das "ZDF Magazin Royale" beheimatet.

Das Original stammt aus dem Jahr 1969

Alte Fernsehhasen mögen da die Ohren spitzen, denn das Original, das im Januar 1969 erstmals auf Sendung ging und viele Jahre von Gerhard Löwenthal moderiert wurde, war von den ZDF-Verantwortlichen als Gegenstück zum berühmt-berüchtigten "Schwarzen Kanal" des DDR-Fernsehens platziert worden.

Machte "drüben" ein Karl-Eduard von Schnitzler kräftig grelle Propaganda gegen - so der DDR-Jargon - BRD, Nato und Kapitalismus, so war das "ZDF-Magazin" fest in der westlichen Wertegemeinschaft verankert und blickte umso kritischer gegen Osten, Sowjetunion und Warschauer Pakt.

Aus heutiger Sicht klingt das alles nach "lange her", und so weit mögen die Leute, die heute beim ZDF das Sagen haben, bei der Wahl des Namens für Böhmermanns neue Show gar nicht gedacht haben. Hieß sie auf Neo "Magazin", so heißt sie eben jetzt im ZDF auch "Magazin".

Die Sandwichposition bleibt

Außerdem war das alte "Neo Magazin Royale" ebenfalls schon im Hauptprogramm zu sehen, aber eben nur als Wiederholung einen Tag später. Selbst der Sendeplatz dort im ZDF ist der gleiche geblieben: als Sandwich zwischen dem erfolgreichen Comedy-Flaggschiff "Heute Show" und dem Kulturmagazin "Aspekte".

Also kaum eine Veränderung. Und nichts Originelles: Im Hauptprogramm hat man Böhmermann jetzt die klassische Pseudo-Art-Deco Kulisse hinter den Schreibtisch gebaut, wie sie für Late-Night-Shows typisch ist.

Diese Kulisse tut dauernd so, als sei hinter ihren leuchtenden Säulen vor dunklem Blau irgendwo eine Metropole mit Wolkenkratzern. Ist es aber nicht, sondern nur der Lerchenberg des ZDF südwestlich von Mainz. Und dieses Provinzielle merkte man der ersten Folge des "ZDF Magazin Royale" auch deutlich an.

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