Buffalo Bill: Showmaster und Cowboy für alle

26.2.2021, 13:07 Uhr
Buffalo Bill (zweiter von rechts) als Louis Calhern in einer Szene des Musicals "Annie Get Your Gun" aus dem Jahre 1946.

© imago images / United Archives Buffalo Bill (zweiter von rechts) als Louis Calhern in einer Szene des Musicals "Annie Get Your Gun" aus dem Jahre 1946.

Man kann lesen, dass er Karl May inspiriert habe und damit zu den geistigen Vätern des ewigen deutschen Lieblings-Indianers gehöre. Dummerweise kann man auch das Gegenteil davon lesen, demnach habe der Winnetou-Erfinder aus Dresden-Radebeul diesen Besucher aus dem richtigen Wilden Westen betont gemieden. Dass sie sich in Dresden getroffen haben, 1890 oder später, ist möglich, die einen sagen, es sei sogar sehr wahrscheinlich. Andere behaupten, es sei höchst unwahrscheinlich.

"Buffalo Bill kenne ich persönlich", hat May später zwar geäußert, bloß: Das hat er über Winnetou auch gesagt – und über andere seiner erfundenen Figuren. Dass sich die beiden, die den Wilden Westen auf sehr unterschiedliche Weise nach Deutschland brachten, mieden, weil sie sich zu ähnlich waren, kann man vermuten. Karl May war ein phantasiebegabter Schriftsteller, Buffalo Bill ein erfindungsreicher Showmaster. Was in der eigenen Vita Fiktion war und was Wahrheit, ließ sich kaum auseinanderhalten – das gehörte zu ihrem Geschäftsmodell.

Ein Glückssucher und Draufgänger

Sicher ist: Buffalo Bill, der berühmteste Cowboy aller Zeiten, hat wirklich gelebt. Vor 175 Jahren, am 26. Februar 1846, kam er als William Frederick Cody auf einer Farm im US-Bundesstaat Iowa zur Welt, offenbar mit der Flinte schon in der Wiege. Bereits als Kleinkind soll er Hasen erlegt haben, später jagte er Büffel und, nun ja: Indianer – außergewöhnlich war das alles nicht, der junge Mann war ein Glückssucher und Draufgänger wie viele andere, er war Post-Reiter, Jäger, Scout, Kavallerist in der Armee.

Zum ritterlichen Old Shatterhand taugte William Cody kaum, es gibt sogar die Geschichte, er habe den Skalp eines getöteten Indianers per Post an seine Schwester geschickt, die daraufhin in Ohnmacht gefallen sei – vermutlich ist sie erfunden. Belegt allerdings sind jene 68 Bisons, die er einmal, als Resultat eines Wettschießens, an einem Tag erlegte – im Dienst einer Eisenbahngesellschaft (als deren Angestellter später Karl Mays fiktives Alter Ego Old Shatterhand die Wildwest-Bühne betreten würde).

Seither hieß William Cody Buffalo Bill, und ein halbes Jahrhundert später – noch so eine Geschichte – sollen es Tiere aus seiner Privatherde gewesen sein, die mithalfen, dem infolge der Plünderung des Kontinents durch die Bleichgesichter fast ausgestorbenen Bison das Überleben in der Prärie zu retten.

Buffalo Bill: Showmaster und Cowboy für alle

© imago images/ZUMA Press

Es war eine sehr besondere Herde, sie tourte durch halb Europa. Buffalo Bill hatte die amerikanische Prärie verlassen, vielmehr hatte er sie eingepackt – in 25 Eisenbahnwaggons fuhren Cowboys, Indianer, Pfadfinder, Büffel, Pferde und Maulesel ab 1889 durch den alten Kontinent. "Buffalo Bill's Wild West" hieß das zuvor in Amerika etablierte Programm, in London sah die Queen Victoria zu, in Berlin der deutsche Kaiser Wilhelm II. und in München der bayerische Prinzregent. Papst Leo XIII. empfing die Truppe im Vatikan.

Aus dem Groschenheft auf die große Bühne

Man sah: das Leben von Buffalo Bill im Wilden Westen – oder vielmehr das, was sich davon besonders spektakulär inszenieren ließ. Gelernt hatte es Buffalo Bill von Net Buntline, einem Journalisten aus New York, der sich mit Groschenheften einen gewissen Ruf erarbeitet hatte. Eigentlich hatte der eine Fortsetzungsserie mit Wild Bill Hickok, einem Revolverhelden, geplant – sah aber beim Blick über den Notizblock plötzlich in den Lauf von Wild Bills Colt, suchte das Weite und fand Buffalo Bill.

Was der dann in Buntlines Heften über sich las, hatte zwar wenig mit seinem Leben zu tun, verkaufte sich aber so gut, dass beide ein Theaterstück daraus machten, uraufgeführt, mit Cody alias Buffalo Bill in der Hauptrolle, 1873 in Chicago, von der Kritik zerrissen – und von einem begeisterten Publikum gefeiert. Selbst überrascht von seinem Talent, entwickelte Cody daraus die Idee für seine Show, die nach großen Erfolgen in Amerika nach Europa zog.

Dort war Buffalo Bill eine Sensation. In Metropolen, in denen die Industrie-Schlote rauchten, liebten die Menschen die Wildwest-Romantik. Die tapferen Siedler, die einen Kontinent eroberten, trafen den Zeitgeist, und 200 Indianer, angekündigt als "echte Indianer", standen für den exotischen Reiz der Show.

Die Zeit der sogenannten Völkerschauen hatte gerade begonnen, man dachte sich nichts dabei, sogenannte "exotische Menschen" auszustellen, auf Volksfesten oder in Zoologischen Gärten, Afrikaner oder Eskimos – die Leute kamen in Scharen. "Kanaken der Südsee" hieß noch 1931 eine Veranstaltung auf dem Münchner Oktoberfest.

Buffalo Bill: Showmaster und Cowboy für alle

© Buffalo Bill Center of the West

Dort, auf der Theresienwiese, gastierte Buffalo Bill im Frühjahr 1890, 18 Tage lang sahen die Münchner täglich Schießereien, Schlachten, Pferderennen, Büffeljagden, eine Attraktion war Annie Oakley, die Scharfschützin, die Kaiser Wilhelm der Mär zufolge eine Zigarre aus dem Mundwinkel geschossen haben soll. Als "Büffel-Wilhelm" oder "Ochsen-Willi" stellten Zeitungen den Hauptdarsteller vor, fast noch niemand sprach Englisch, alles musste erklärt werden – und Buffalo Bill wurde zum interkontinentalen Superstar.

Beschrieben wird er als gut aussehender Mann mit Charisma, als schauspielerisches Naturtalent – eine Erscheinung, die Eindruck machte, ein paar Wochen später flanierten selbst bessere Kreise in Western-Mode durch München.

In Dresden, wo die Show im Mai gastierte, soll sie Karl May "zutiefst aufgewühlt" haben, das hält zumindest Karl Markus Kreis, einer seiner Biographen, fest. Mays Frau Klara berichtete später von einer Abneigung ihres Gatten, der fast auf den Tag genau vier Jahre älter war als Buffalo Bill, gegen das Programm; als "Freund der Indianer und Verächter des Büffel-Schlachtens" sehe er sich selbst als Gegenmodell zu Buffalo Bill – drei Jahre später erschien der erste Band der Trilogie um den edlen Apachen-Häuptling Winnetou.

Aber William Cody hatte stets ein Gespür für Stimmungen und Erwartungen des Publikums, in den 30 Jahren, in denen seine Show lief, korrigierte er das Bild der Indianer und sein eigenes, er verstand es, sich als Indianer-Freund zu inszenieren und wurde es darüber wohl sogar; in den USA gehörte Sitting Bull, der legendäre Sioux-Häuptling, zum Show-Programm. Dass sich der Jäger am Ende seines Lebens für die Rettung der Bisons einsetzte, dankten ihm die Sioux.

Den ersten Showmaster hat man Buffalo Bill später genannt, den Erfinder des Wilden Westens als Genre. Die Zeitschrift Business Punk entdeckte ihn vor einem Jahr als Vorbild für Influencer wieder – wenngleich er sich vom beginnenden Medienzeitalter am Ende abgehängt sah. Die Zukunft sollte dem Film gehören, William Codys Versuche mit einer eigenen Produktionsfirma scheiterten, 1913 musste er mit seiner Wildwest-Show Insolvenz anmelden.

Cody starb am 10. Januar 1917, der Mär zufolge verkaufte seine Frau den Leichnam nach Denver/Colorado – entgegen eines angeblichen Wunsches des Verstorbenen, demzufolge er in der von ihm gegründeten Gemeinde Cody in Wyoming bestattet werden wollte. Auch dazu gibt es unzählige Geschichten.

Von Karl May, schreibt sein Biograph Kreis, blieben seine Geschöpfe, Winnetou und Old Shatterhand, May selbst sei gescheitert an seiner Legende – "und Buffalo Bill lebt ungebrochen selbst als Mythos weiter".

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