Das sollten Sie lesen! Unsere Buchtipps für den März

8.3.2021, 13:03 Uhr
Patrick Modiano, der französische Literaturnobelpreisträger, schreibt selbst wie ein Detektiv: immer auf der Suche nach Straßen und Vierteln, Frauen von früher, den Spuren der Vergangenheit. So ist es kein Zufall, dass der Held seines neuen Romans "Unsichtbare Tinte" als junger Mann  in einer Detektei anheuert und - leider zunächst erfolglos - herausfinden soll, was es mit einer gewissen Noelle auf sich hat, die vermisst wird. Das Paris der 60er Jahre und der stets so leichte Sound des Autors ziehen den Leser auch hier schnell hinein in den Sog des Erinnerns und Entdeckens (Hanser, 19 Euro) Wolf Ebersberger  
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Patrick Modiano, der französische Literaturnobelpreisträger, schreibt selbst wie ein Detektiv: immer auf der Suche nach Straßen und Vierteln, Frauen von früher, den Spuren der Vergangenheit. So ist es kein Zufall, dass der Held seines neuen Romans "Unsichtbare Tinte" als junger Mann  in einer Detektei anheuert und - leider zunächst erfolglos - herausfinden soll, was es mit einer gewissen Noelle auf sich hat, die vermisst wird. Das Paris der 60er Jahre und der stets so leichte Sound des Autors ziehen den Leser auch hier schnell hinein in den Sog des Erinnerns und Entdeckens (Hanser, 19 Euro) Wolf Ebersberger
  © Hanser/Montage: Sabine Schmid

1948 schrieb George Orwell seinen Roman "1984" über einen totalitären Überwachungsstaat, der seine Bewohner bis in die letzten Winkel ihrer Privatsphäre hinein mit Kameras überwacht ("Big Brother is watching you!"). Ein finsterer Zukunftsentwurf, der leider von Jahr zu Jahr realer zu werden scheint, nicht nur, was Paranoia und die flexible Auslegung von Wahrheit angeht. Die Geschichte des Angestellten Winston Smith im fiktiven Staat Ozeanien, dem nichts mehr bleibt in einer komplett getakteten Welt, erzählen Jean-Christophe Derrien (Autor) und Rémi Torregrossa (Illustrationen) in ihrer fast durchgehend schwarz-weiß gehaltenen Graphic-Novel mit klaren, niemals aufdringlichen Bildern. (Knesebeck, 22 Euro) Stefan Gnad
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1948 schrieb George Orwell seinen Roman "1984" über einen totalitären Überwachungsstaat, der seine Bewohner bis in die letzten Winkel ihrer Privatsphäre hinein mit Kameras überwacht ("Big Brother is watching you!"). Ein finsterer Zukunftsentwurf, der leider von Jahr zu Jahr realer zu werden scheint, nicht nur, was Paranoia und die flexible Auslegung von Wahrheit angeht. Die Geschichte des Angestellten Winston Smith im fiktiven Staat Ozeanien, dem nichts mehr bleibt in einer komplett getakteten Welt, erzählen Jean-Christophe Derrien (Autor) und Rémi Torregrossa (Illustrationen) in ihrer fast durchgehend schwarz-weiß gehaltenen Graphic-Novel mit klaren, niemals aufdringlichen Bildern. (Knesebeck, 22 Euro) Stefan Gnad © Knesebeck/Montage: Sabine Schmid

90 wäre er dieses Jahr geworden, der österreichische Dramatiker, Autor und Spötter Thomas Bernhard, und als grantelnden grauen Greis hätten wir ihn bestimmt genauso gemocht. Neben einer biografischen Skizze seines Halbbruders Peter Fabjan bringt der Suhrkamp Verlag zum Geburtstag noch eine andere Würdigung heraus: "Thomas Bernhard. Die unkorrekte Biografie". Verfasst und in 99 herrlich knollennasige Zeichnungen verpackt hat sie Nicolas Mahler. Und kommt damit sowohl dem Leben Bernhards wie auch seinem Geist wunderbar nahe... Umwerfend komisch also! (16 Euro). Wolf Ebersberger
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90 wäre er dieses Jahr geworden, der österreichische Dramatiker, Autor und Spötter Thomas Bernhard, und als grantelnden grauen Greis hätten wir ihn bestimmt genauso gemocht. Neben einer biografischen Skizze seines Halbbruders Peter Fabjan bringt der Suhrkamp Verlag zum Geburtstag noch eine andere Würdigung heraus: "Thomas Bernhard. Die unkorrekte Biografie". Verfasst und in 99 herrlich knollennasige Zeichnungen verpackt hat sie Nicolas Mahler. Und kommt damit sowohl dem Leben Bernhards wie auch seinem Geist wunderbar nahe... Umwerfend komisch also! (16 Euro). Wolf Ebersberger © Suhrkamp/Montage: Sabine Schmid

Sasa Stanisic ist für wunderbare Romane wie "Vor dem Fest" und "Herkunft" bekannt. Nun hat er mit "Hey, hey, hey, Taxi!" sein erstes Kinderbuch geschrieben. Darin entführt er Kinder ab vier Jahren in sagenhafte und grenzenlose Erzählabenteuer - und die Vorleserinnen und Vorleser gleich mit. Bei den Taxi-Ausfahrten in die Welt der Fantasie trifft man auf kleine Riesen, freche Zwerge, feiernde Insekten und geschrumpfte Piraten. Katja Spitzer hat dazu farbenfrohe Illustrationen geschaffen (Mairisch Verlag, 18 Euro). Birgit Nüchterlein
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Sasa Stanisic ist für wunderbare Romane wie "Vor dem Fest" und "Herkunft" bekannt. Nun hat er mit "Hey, hey, hey, Taxi!" sein erstes Kinderbuch geschrieben. Darin entführt er Kinder ab vier Jahren in sagenhafte und grenzenlose Erzählabenteuer - und die Vorleserinnen und Vorleser gleich mit. Bei den Taxi-Ausfahrten in die Welt der Fantasie trifft man auf kleine Riesen, freche Zwerge, feiernde Insekten und geschrumpfte Piraten. Katja Spitzer hat dazu farbenfrohe Illustrationen geschaffen (Mairisch Verlag, 18 Euro). Birgit Nüchterlein © Verlag Mairisch/Montage: Sabine Schmid

In Haruki Murakamis Welten gibt es zwei Monde, Treppen in magische Paralleluniversen und Männer ohne Gesicht. Warum also nicht auch sprechende Affen, Kreise mit zwei Mittelpunkten und eine Bossa-Nova-Platte von Charlie Parker? Auf diese Seltsamkeiten trifft man in "Erste Person Singular", dem neuen Erzählband des japanischen Starautors und Dauer-Anwärter auf den Literatur-Nobelpreis. Auf der literarischen Kurzstrecke gibt es dort in neun Geschichten Murakami-Typisches - voller Rätsel, Geheimnis und großer Sogkraft. (Dumont, 22 Euro). Birgit Ruf
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In Haruki Murakamis Welten gibt es zwei Monde, Treppen in magische Paralleluniversen und Männer ohne Gesicht. Warum also nicht auch sprechende Affen, Kreise mit zwei Mittelpunkten und eine Bossa-Nova-Platte von Charlie Parker? Auf diese Seltsamkeiten trifft man in "Erste Person Singular", dem neuen Erzählband des japanischen Starautors und Dauer-Anwärter auf den Literatur-Nobelpreis. Auf der literarischen Kurzstrecke gibt es dort in neun Geschichten Murakami-Typisches - voller Rätsel, Geheimnis und großer Sogkraft. (Dumont, 22 Euro). Birgit Ruf © Dumont/Montage: Sabine Schmid

Die erste Ekstase fand im Mund statt: bei der gold-glühenden Hühnersuppe seiner polnischen Großmutter. Dann kamen die Ohren dran: als die Oma, diesmal die aus Ungarn, ihm Platten mit Puccinis "Madame Butterfly" vorspielte. Das war vielleicht noch prägender, denn der Australier Barrie Kosky, wie man weiß, wurde einer der großen Opernregisseure seiner Generation. In dem Büchlein "On Ecstasy" plaudert der extrem erfolgreiche  Intendant der Komischen Oper Berlin über die Erregungen seines Lebens, auch die frühen erotischen. (Theater der Zeit, 15 Euro) Wolf Ebersberger
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Die erste Ekstase fand im Mund statt: bei der gold-glühenden Hühnersuppe seiner polnischen Großmutter. Dann kamen die Ohren dran: als die Oma, diesmal die aus Ungarn, ihm Platten mit Puccinis "Madame Butterfly" vorspielte. Das war vielleicht noch prägender, denn der Australier Barrie Kosky, wie man weiß, wurde einer der großen Opernregisseure seiner Generation. In dem Büchlein "On Ecstasy" plaudert der extrem erfolgreiche  Intendant der Komischen Oper Berlin über die Erregungen seines Lebens, auch die frühen erotischen. (Theater der Zeit, 15 Euro) Wolf Ebersberger © Theater der Zeit/Montage: Sabine Schmid

"Wie wohl man sich fühlte bei geteilter Verantwortung und einem Selbstbewusstsein, das kollektiv war!" – "Er war untergegangen in der Korporation, die für ihn dachte und wollte." Zwei Sätze aus einem alten Roman, die so aktuell klingen, als wären sie Kommentare zu Querdenker- und anderen Wirrkopf-Versammlungen, bei denen nicht das Denken des Einzelnen, vielmehr der Aufschrei in der sicheren Masse gefragt ist. Sie stammen aus Heinrich Manns weitsichtigem "Der Untertan" über einen grausam opportunistischen Menschen. Zum 150. Geburtstag des Autors erscheint er in einer wunderbar illustrierten Neuausgabe bei Reclam (36 Euro). Bernd Noack   
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"Wie wohl man sich fühlte bei geteilter Verantwortung und einem Selbstbewusstsein, das kollektiv war!" – "Er war untergegangen in der Korporation, die für ihn dachte und wollte." Zwei Sätze aus einem alten Roman, die so aktuell klingen, als wären sie Kommentare zu Querdenker- und anderen Wirrkopf-Versammlungen, bei denen nicht das Denken des Einzelnen, vielmehr der Aufschrei in der sicheren Masse gefragt ist. Sie stammen aus Heinrich Manns weitsichtigem "Der Untertan" über einen grausam opportunistischen Menschen. Zum 150. Geburtstag des Autors erscheint er in einer wunderbar illustrierten Neuausgabe bei Reclam (36 Euro). Bernd Noack   © Reclam/Montage: Sabine Schmid

Wenn's einer kann, dann Julian Barnes: in einer Ausstellung an einem Porträtbild von 1881 hängen bleiben, über den Abgebildeten und seine Zeit eine historische Recherche anstellen und darüber ein Panoptikum der Belle-Epoque-Jahrzehnte in Paris schreiben. "Der Mann im roten Rock" erzählt - am Chirurgen Samuel Pozzi aus dem Gemälde entlang - als kommentierendes Geschichtsbuch von Künstlern und Lebenskünstlern in einem Europa, das auch vor den zwei Weltkriegen alles andere als unschuldig war. Barnes ist locker, lehrreich, persönlich - und englandkritisch. (Kiepenheuer & Witsch, 24 Euro) Isabel Lauer
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Wenn's einer kann, dann Julian Barnes: in einer Ausstellung an einem Porträtbild von 1881 hängen bleiben, über den Abgebildeten und seine Zeit eine historische Recherche anstellen und darüber ein Panoptikum der Belle-Epoque-Jahrzehnte in Paris schreiben. "Der Mann im roten Rock" erzählt - am Chirurgen Samuel Pozzi aus dem Gemälde entlang - als kommentierendes Geschichtsbuch von Künstlern und Lebenskünstlern in einem Europa, das auch vor den zwei Weltkriegen alles andere als unschuldig war. Barnes ist locker, lehrreich, persönlich - und englandkritisch. (Kiepenheuer & Witsch, 24 Euro) Isabel Lauer © Kiwi/Montage: Sabine Schmid

Kein Tierbuch, und auch keins für Kinder. Obwohl "Die Bären aus der Rue de l'Ours" auch für junge Leser lehrreich ist, als versöhnliche jüdische Familiengeschichte aus dem Elsaß, beispielhaft heiter erzählt und ja, auch gezeichnet. Serge Bloch, um dessen Kindheit im Colmar der 60er Jahre es hier geht, ist nämlich Illustrator geworden. Seine flott mit der Feder hingetuschten Bilder schmücken "Le Monde" und die "New York Times". Und nun auch diese unsentimentalen Erinnerungen aus einer Metzgerfamilie, in der die Männer, allen voran der Vater, so stur, still (und liebenswert gemütlich) waren wie Bären! (Kunstanstifter, 22 Euro) Wolf Ebersberger
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Kein Tierbuch, und auch keins für Kinder. Obwohl "Die Bären aus der Rue de l'Ours" auch für junge Leser lehrreich ist, als versöhnliche jüdische Familiengeschichte aus dem Elsaß, beispielhaft heiter erzählt und ja, auch gezeichnet. Serge Bloch, um dessen Kindheit im Colmar der 60er Jahre es hier geht, ist nämlich Illustrator geworden. Seine flott mit der Feder hingetuschten Bilder schmücken "Le Monde" und die "New York Times". Und nun auch diese unsentimentalen Erinnerungen aus einer Metzgerfamilie, in der die Männer, allen voran der Vater, so stur, still (und liebenswert gemütlich) waren wie Bären! (Kunstanstifter, 22 Euro) Wolf Ebersberger © Kunstanstifter/Montage: Sabine Schmid

Er ist leider ziemlich vergessen, dieser geniale Sprachspieler Ulrich Becher (1910–1990), dessen voluminöser Roman "Murmeljagd" zum Besten gehört, was die deutsche Literatur vorzuweisen hat. Als Neueinstieg in Bechers witzigen und überbordenden Erzählkosmos eignet sich da die schmale Erzählung "Das Herz des Hais" (Schöffling, 20 Euro), eine unter aschespeienden Vulkanen spielende Liebesverwirrung mit südländischer Sehnsuchtsatmosphäre und schnoddrig-heiteren Dialogen, die ein bisschen an Tucholskys "Rheinsberg" erinnert – und doch ein herrlich typischer Becher ist!  Bernd Noack 
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Er ist leider ziemlich vergessen, dieser geniale Sprachspieler Ulrich Becher (1910–1990), dessen voluminöser Roman "Murmeljagd" zum Besten gehört, was die deutsche Literatur vorzuweisen hat. Als Neueinstieg in Bechers witzigen und überbordenden Erzählkosmos eignet sich da die schmale Erzählung "Das Herz des Hais" (Schöffling, 20 Euro), eine unter aschespeienden Vulkanen spielende Liebesverwirrung mit südländischer Sehnsuchtsatmosphäre und schnoddrig-heiteren Dialogen, die ein bisschen an Tucholskys "Rheinsberg" erinnert – und doch ein herrlich typischer Becher ist!  Bernd Noack  © Schöffling & Co./Montage: Sabine Schmid

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