Dresdner "Tatort": Zwischen Macht und Ohnmacht

28.1.2018, 21:54 Uhr
Dresdner

© MDR/Wiedemann & Berg/Daniela Incoronato

Kürzlich hat der Bayerische Rundfunk bekanntgegeben, wo der fünfte Franken-"Tatort" spielt und um was es darin geht. Ringelhahn, Voss & Co bekommen es in diesem Einsatz mit einem Mörder zu tun, der innerhalb eines Tages jeweils zur vollen Stunde einen anderen Menschen auf die gleiche Weise an unterschiedlichen Orten in Bayreuth erschießt. Bis der Fall ausgestrahlt wird, dauert es allerdings noch eine Weile. Der Film soll erst kommendes Jahr zu sehen sein.

Schon jetzt gehen dagegen die Dresdner Ermittler das fünfte Mal auf Streife. Und sie tun das inzwischen mit zunehmend schlechter Laune. Nachdem die ersten drei Fälle trotz unterschiedlicher Thematik noch durch einen klar vernehmbaren humoristischen Unterton miteinander verbunden waren, tanzte bereits die im November gesendete Episode "Auge um Auge" deutlich aus der Reihe. Bei diesem Krimi handelte es sich um eine ziemlich spaßbefreite Geschichte, in der kaum mehr gelacht wurde.

Der bis dato so schön schrullige Dienststellenleiter Michael Schnabel (Martin Brambach), der aus seiner Sorge vor allem Neuen keinerlei Geheimnis machte, verwandelte sich darin in einen fremdenfeindlichen Fiesling, der plötzlich höchst bedenklichen Quatsch vom Stapel ließ. Kaum vorstellbar, doch auch dieses Drehbuch stammte aus der Feder von Stromberg-Erfinder Ralf Husmann. Unterm Strich war "Auge um Auge" nicht nur ein sehr ernster Dresdner Krimi, sondern darüber hinaus einer mit einem ziemlich durchwachsenen Skript.

Kein Humor mehr im Dresdner "Tatort"

Die Verwandlung des Dresdner "Tatorts" vom klamaukhaften Krimi hin zum seriösen Thriller findet in Dustin Looses erstem abendfüllenden Spielfilm "Déjà-vu" seine Fortsetzung. Mit diesem Streifen drängt sich gar der Eindruck auf, als haben die Verantwortlichen ihr ursprüngliches Vorhaben, eine Mischung aus Weimarer und Münsteraner "Tatort" in der sächsischen Metropole anzusiedeln, nun ein für alle Mal ad acta gelegt. Looses Krimi ist an Ernsthaftigkeit kaum zu überbieten und erscheint wie ein Fremdkörper, stellt man ihn vor allem den ersten drei Episoden gegenüber.

Keine Gags. Keine Skurrilität. Und seitens des MDR offenbar auch keinerlei Bedarf mehr an Husmanns Diensten. Denn die Grundlage für Dustin Looses Premieren-"Tatort" lieferten mit Mark Monheim und Stephan Wagner zwei bisher nicht für die Sachsen tätig gewesene Gesichter. Ihr Plot hält eine emotional-packende Geschichte bereit. Sie präsentieren einen düsteren Film, in dem es um ein Verbrechen an einem Kind geht.

Ein Fall, der an die Nieren geht

Der Mord am neunjährigen Rico, der vor seinem Tod sexuell missbraucht wurde und dessen Leiche in einer Sporttasche am Elbufer gefunden wird, trifft Sieland (Alwara Höfels), Schnabel und Gorniak (Karin Hanczewski) mit voller Wucht. Die Schwere der Tat sowie ein in diesem Zusammenhang wieder aufkochender ungelöster Vermisstenfall fordert die Fahnder in dieser Produktion stärker denn je. Die Stimmung ist aufgeheizt. Dresden kocht. Nicht nur wegen der schier erdrückenden sommerlichen Hitze in der Stadt. Sieland, Schnabel und Gorniak taumeln. Sie nehmen das Erlebte mit nach Hause und geraten im Laufe der anderthalb Stunden an die Grenzen ihrer physischen und psychischen Belastbarkeit.

"Déjà-vu" beobachtet jedoch nicht nur die Beamten dabei, was der Fall mit ihnen anstellt. Zu erleben sind daneben die inneren Kämpfe des Täters, der auf den ersten Blick ein normales Leben führt, und sein tägliches Ringen mit seiner krankhaften sexuellen Neigung, die er unter dem Deckmäntelchen der Normalität zu verbergen weiß. Auch gezeigt wird das Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Lebensgefährtin, die im Bilde ist, und mit der er eine zur Außenwelt hin rigoros abgeschirmte Beziehung führt. Ein interessanter Ansatz, der aus diesem "Tatort" einen ungewöhnlichen macht.

Gelungenes "Tatort"-Debüt

Dustin Looses Psychogramm eines Pädophilen ist ein gelungenes Spielfilmdebüt. Der Jungregisseur legt einen Fall über Macht und Ohnmacht, über Wissen und Kontrolle vor und keinen klassischen Krimi, in dem der Zuschauer auf Augenhöhe der Kommissare nach dem Täter fahndet. Weil Loose auffallend viel mit Licht und Schatten arbeitet, er ein hohes Augenmerk auf die Bildsprache setzt, erscheint "Déjà-vu" im Gesamtkontext als ein rundum stimmiges Kunstwerk.

Ein Kunstwerk, in dem der Humor der ersten Episoden in keiner Szene vermisst wird. Halten die Sachsen weiterhin derart packende Geschichten parat, darf der sechste Dresdner Fall also gerne erneut so ernst daherkommen. Darin gibt Alwara Höfels übrigens ihre Abschiedsvorstellung. Doch das ist wieder eine andere Geschichte.

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