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Hoffnung für AEG-Künstler: Atelierhaus im Südwesten?
16.4.2021, 17:30 UhrDie Verzweiflung bekommt Manfred Rothenberger zu spüren. "Sie rennen uns die Bude ein", sagt er über Hilfesuchende. Mit der Bude ist das Institut für moderne Kunst gemeint, dessen Direktor er ist. Und bei den Verzweifelten handelt es sich "nicht nur um Kunstschaffende, die ihr Atelier AufAEG verlieren, sondern auch um Akademie-Absolventen und Akteure der Freien Szene."
Angst vor der Geisterstadt
Die Zahl von den 100 kreativen Stadtflüchtigen ist eine Einschätzung von Marian Wild. Er kennt die Szene. Im Institut und auch beim städtischen Projekt "Raumkompass" engagiert sich der Designarchitekt zugunsten Ateliersuchender. Und zwar ehrenamtlich – um nicht bald in einer kulturellen "Geisterstadt" zu wohnen, wie der Nürnberger sagt.
Rothenberger sieht nur einen Weg: "Wenn die Stadt will, dass Kulturschaffende bleiben, muss sie eine Alternative zu AEG schaffen und mithelfen, dass für die Künstlerschaft erschwingliche Mietpreise aufgerufen werden."
Kulturreferentin Julia Lehner sagt dazu: "Es ist leicht, einen schuldig zu sprechen." Ihr Referat sei selbstverständlich unterstützend tätig. Den "Raumkompass" als Kontaktbörse für Vermieter und Raumsuchende nennt auch sie. Aber: "Wir sind kein Büro für Immobilienmanagement", steckt sie die Rolle ihrer Abteilung ab.
"Die Künstler haben AufAEG Idealzustände erlebt", fährt Lehner fort. Dass ihr Team bei der Unterstützung Ateliersuchender bei Ortsbegehungen auf eine gewisse "Anspruchshaltung" stoße – was durchaus vorkomme – mache die Sache leider nicht leichter.
Hat die Problem-Lösung einen Namen? "Kongresshalle" heißt sie wohl eher nicht, glaubt Rothenberger. Die Idee, Künstler am Dutzendteich einziehen zu lassen, war bereits im Gespräch. "Aber das ist ein vager Wunschtraum, der Unsummen kosten und noch Jahre dauern würde."
Stattdessen setzt das Kunst-Institut gemeinsam mit dem Amt für Kultur und Freizeit auf zwei Stadtteile im Südwesten: St. Leonhard und Schweinau. Hier ist an der Gustav-Adolf-Straße 33 bereits das Galerie- und Atelierhaus Defet angesiedelt.
Wie in Kreuzberg oder Neukölln
Hier hat auch Marian Wild sein Büro. "Für mich ist die Gegend vergleichbar mit Berlin-Neukölln oder Kreuzberg vor zehn Jahren – ziemlich durchgentrifiziert", sagt er. Gleichzeitig gebe es leerstehende Gebäude. Taten statt Warten, also zog der Diplom-Ingenieur mit seinem Herz für die Künste und seinem Auge für Architektur im Winter los, um zu sichten. Das Problem: "Du kannst nicht reinschauen, wem`s gehört."
Aber Ämter können das. So kam es zur "netten Kooperation" (Wild) mit dem städtischen "Raumkompass". Vom Stadtplanungsamt werden seither Eigentümer angerufen, denen potentielle Ateliergebäude gehören.
Vor allem ein leerstehendes Gebäude in der Tillystraße 40 haben die Kunstpfadfinder seither auf dem Kompass. "5000 Quadratmeter, nicht alles ist im besten Zustand, aber da passen locker 50, 60 Künstler rein", denkt Wild.
Das einstige Bürogebäude steht gegenüber der neu gebauten Künstlerpinselfabrik DaVinci der verstorbenen Kunstmäzene Hansfried und Marianne Deftet. Verwaltet wird das Objekt von der Alpha-Gruppe mit ihrem Kopf Gerd Schmelzer.
Wirbel um Standortvergabe
Der Immobilienunternehmer tat sich in der Vergangenheit bereits als Kulturförderer hervor, etwa beim Theater Pfütze. Zuletzt gab es allerdings Wirbel, auch weil Schmelzer mit Julia Lehner verheiratet ist. Der Vorwurf, die Kulturreferentin habe die Standortvergabe für das neue Zukunftsmuseum an die Firma ihres Mannes begünstigt, wurde laut.
Julia Lehner klagte daraufhin und das Gericht gab ihr recht: Nun darf etwa Grünen-Politikerin Verena Osgyan keine Vorwürfe mehr gegenüber der CSU-Referentin erheben, was die Standort-Vergabe des Museums betrifft.
Trotzdem fürchteten danach manche, Schmelzer könne auf Abstand zu neuen Kulturprojekten gehen: "Vielleicht besteht die Angst, sich irgendwo reinzusetzen", vermutete Wild noch in dieser Woche.
Wenn alles transparent verläuft
Nicht nur er kann erleichtert sein. Johannes Hirschmann von Schmelzers Alpha-Gruppe ist für die Vermietung des Gebäudes in der Tillystraße zuständig. "Das kann man sich vorstellen", sagt er zu den Plänen, das Gebäude als Atelierhaus anzubieten. Er sei sogar schon mit AEG-Künstlern im Gespräch. "Das Haus ist charmant", es hätte allerdings einen Nachteil: Rund 2000 qm liegen innerhalb und sind damit ohne Tageslicht.
Licht am Horizont der Suchenden ist das Gebäude dennoch.
Marian Wild sagt: "Wenn man das als Projekt mit bezahlbaren Mieten und gerechtem Verteilungsprozess hinbekommt und alles transparent macht, wird es auch niemandem vor die Füße fallen."
Kontakt für Vermietende und Ateliersuchende:
atelier@moderne-kunst.org bzw.
raumkompass.nuernberg.de
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