Kritik am neuen Haus der Bayerischen Geschichte: Franken im Abseits

8.10.2019, 05:47 Uhr
Kritik am neuen Haus der Bayerischen Geschichte: Franken im Abseits

© Foto: Armin Weigel/dpa

Manche Besucher spüren aus der Ausstellung eine gewisse Dominanz des Altbairischen über das Gesamtbayerische heraus. So etwa, wenn der Spruch "Mia san mia" an dominierender Stelle zitiert wird.

Die Integration der damals neuen fränkischen und schwäbischen Landesteile – und auch der Freien Reichsstadt Regensburg – in das neu geschaffene Königtum zu Beginn des 19. Jahrhunderts empfanden die frischgebackenen Monarchen als Aufgabe für eine gemeinsame Geschichtsschreibung und Identitätsstiftung. Eine Aufgabe, die bis heute fortdauert und in der Regensburger Dauerausstellung vernehmbar ist. Sie schildert unter dem Titel "Wie Bayern Freistaat wurde und was ihn so besonders macht" die Landesgeschichte von den Napoleonischen Kriegen vor gut 200 Jahren bis heute.

Begeisterung wecken

Zu den Zielen des in Augsburg ansässigen Hauses der Bayerischen Geschichte, das das Museum in Regensburg verantwortet, gehört, Begeisterung zu wecken "für die faszinierende Geschichte Bayerns und seiner Landesteile". Deshalb fanden etwa zwei der letzten vier Landesausstellungen in Franken statt. Die Frage ist, ob in der Dauerschau die Präsentation der Landesteile ausreichend ist. Kritiker monieren, man werfe nur wenige Blicke über die Donau. Franken existiere kaum, es gehe vor allem um die altbairische Selbstdarstellung.

"Mit diesen Fragen sind wir vertraut", sagt Andreas Kuhn, verantwortlich für die Bavariathek im Haus der Bayerischen Geschichte und intimer Kenner von Museum und Ausstellung. Es komme immer wieder mal vor, dass Positionen unbesetzt blieben, die nicht nur aus regionaler Warte bedeutsam sind. Das aber liege in der Natur der Sache: "Es kann immer nur eine Auswahl erfolgen." Man wolle so eine Ausstellung nicht "überfrachten".

Was er dann zeigt, macht erkenntlich, dass fränkische Aspekte bei genauerer Betrachtung in all den zeithistorischen Querschnitten durchaus reichlich vorhanden sind. Etwa bei den "Bürgerobjekten", die das Haus aus allen Regierungsbezirken von privater Hand erhalten hat. Viele Trouvaillen kommen da aus Franken: ein beeindruckendes Flussschiffmodell aus Volkach, ein Weltkriegs-Feldaltar aus Marktheidenfeld, ein Tora-Schild aus Gunzenhausen, eine weiße Fahne aus Neuendettelsau. Man kann damit eine eigene Führung bestücken.


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Prinzipiell ist die Ausstellung so aufgebaut, dass sie die vergangenen 200 Jahre in neun Generationen aufteilt. Innerhalb jeder Generation wird ein zu dieser Zeit besonders wichtiges Hauptthema in oft recht pittoresken Bühnen aufgebaut. Hinter und neben ihnen können dann all jene Besucher, die Zeit haben, durch weitere Exponate, knappe Informationstafeln und interaktive Mitmach-Angebote ihre Eindrücke über die jeweiligen Zeitschnitte vertiefen. So entsteht eine sehr erzählerische, assoziative und hier und da auch spielerisch-hintersinnige Annäherung an Geschichte durch Objekte, die ausgesprochen empathiefördernd wirken.

So gibt es etwa auf großer Bühne ein Beat-Band-Equipment, hergestellt in Bubenreuth, wo sich nach dem Zweiten Weltkrieg eine größere Anzahl von Instrumentenbauern aus dem Sudetenland angesiedelt hat – einer von vielen Hinweisen auf Franken als Wirtschaftsraum. Vom Riesen-Scheinwerfer des Nürnberger Elektropioniers Sigmund Schuckert über Buntstifte von Faber bis zum letzten "Quelle"-Katalog reichen weitere Exponate.

Heimatraum

Besonders angetan ist Kuhn von der "umwerfenden Geschichte" einer Ballonflucht aus der damaligen DDR, die in Naila endete und ebenfalls im Museum der Bayerische Geschichte dokumentiert ist. Und im Heimat-Raum der Ausstellung befindet sich eine multimediale Präsentation sämtlicher 2056 bayerischen Gemeinden.

Und dann gibt es noch jene Bereiche, in denen dargestellt wird, wie Bayern von außen gesehen wird. Eine Ansammlung von Bierkrügen repäsentiert deshalb beispielsweise "nicht die Brauereivielfalt, sondern die Markendichte", so Kuhn – also das überregional wahrgenommene Werbebild nach außen. Und in dieser versendeten Markendichte sind die Münchner Brauereien schlicht sehr präsent.

Derlei Außenwahrnehmungen werden in der Ausstellung nicht etwa wohlwollend kommentiert, sondern durchaus auch problematisiert, und zwar in deutlich ironischer Form – bis hin zur gigantischen Schneekugel mit dem Schloss Neuschwanstein drin. Die Frage wird gestellt: Wie weit ist Bayern selbst schuld an seinem Bild?

Gefördert werden soll genau dieses jedenfalls nicht – und eine Präsentation vom Lederhosen-FC Bayern plus "Mia san mia" plus Schlossschneekugel steht laut Kuhn deshalb "eher als Provokation für offene Fragen der Zukunft".

Haus der Bayerischen Geschichte, Regensburg, Donaumarkt 1; Di.–So. 9–18 Uhr.

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