Kulturhauptstadtrennen wird digital: "Wir müssen jetzt komplett neu planen"

19.8.2020, 10:03 Uhr
Kulturhauptstadtrennen wird digital:

© Foto: Berny Meyer

Herr Wagner, hat Sie die Entscheidung kalt erwischt oder gab es Vorwarnungen?

Es gab intensive Vorgespräche mit den Bewerbungsbüros, auch die Kunstministerien in den betroffenen Ländern waren eingebunden. Es war ein sehr guter Abstimmungsprozess, den die Kulturstiftung der Länder hervorragend moderiert hat.

Und was bedeutet das konkret für Sie und ihr Team?

Wir müssen jetzt komplett neu planen. Es ist eine große technische Herausforderung, sowohl den Besuch der Jury am 23. Oktober als auch die Präsentation am 28. Oktober digital durchführen. Die Kunst wird es sein, die bereits ausgearbeiteten Ideen für einen echten, analogen Besuch, jetzt ins Digitale zu übertragen.

Bedauern Sie, dass die Jury nicht selbst anreist?

Ja. Ich finde es schwierig, wenn die Jury nicht leibhaftig hier ist, man kann nicht in den individuellen Dialog eintreten, Stimmungen nicht aufnehmen und darauf reagieren. Es bleibt die Vermittlung mit Nullern oder Einsen. Ich glaube, dass das für Nürnberg eine besondere Herausforderung ist, weil man diese Stadt einfach erlebt haben muss.

Wir muss ich mir einen Besuch ohne Besuch überhaupt vorstellen?

Mit einem Mix an digitalen Formaten. Unser großes Ziel wird es sein, die Vielfalt von Nürnberg und die Spezifika unserer Bewerbung auf ganz unterschiedlichen Wegen zu transportieren, indem wir Kunst zeigen, mit Künstlerinnen und Künstlern über unsere Ideen sprechen, und indem wir die für die Bewerbung wichtigen Orte, präsentieren.

Wie lange dauert der digitale Besuch denn?

Natürlich nicht neun Stunden, wie der echte! Das ganze wird nach derzeitigem Stand verkürzt auf drei mal 70 Minuten. Plus 30 Minuten Frage und Antwort mit der Jury.

Auch die letzte Präsentation vor der Jury Ende Oktober wird digital stattfinden. Was heißt das?

Wir müssen uns und unser Konzept dann nochmal 30 Minuten digital präsentieren. Im Anschluss findet dann eine digitale Frage- und Antwortrunde statt.

Wie weit sind Sie mit dem zweiten Bewerbungsbuch, dem sogenannten Bidbook, das am 21. September abgegeben werden muss?

Voll im Zeitplan. Unser Ziel ist, dass die Daten spätestens am 31. August an die Druckerei gehen, so dass wir drei Wochen für die Produktion haben. Ich bin sehr zufrieden. Das wird ein gutes zweites Buch.

Und wie stark unterscheidet es sich vom ersten?

Kulturhauptstadtrennen wird digital:

© Foto: Günter Distler

Es unterscheidet sich in vielen Punkten. Evaluation und Monitoring sind detailliert dargelegt, Managementstruktur und Kommunikationsstrategie sind ausgearbeitet, vor allem aber ist das künstlerische Programm ausführlich beschrieben, und dabei ist uns vor allem die europäische Dimension von zentraler Bedeutung.

Corona verändert alles. Taucht das Thema Pandemie konkret im Buch auf?

Es gibt darin die Frage nach der Notfallplanung. Natürlich haben wir uns an dieser Stelle auch damit auseinandergesetzt, was passiert, wenn eine neue Pandemie kommt. Deshalb spielen digitale Formate eine sehr viel größere Rolle als im ersten Bewerbungsbuch. Wir haben intensiv mit der Tourismuszentrale darüber nachgedacht, was die Ereignisse der letzten Wochen für den Tourismussektor bedeuten: Werden wir 2025 wieder die Situation haben, dass Menschen aus Europa und der ganzen Welt nach Nürnberg kommen? Oder wird es eher so sein, dass mehr Menschen aus Deutschland anreisen und das zum Beispiel mit ihrem Wohnwagen? Mir war es wichtig, die Pandemie zum Anlass zu nehmen, um über Europa neu nachzudenken.

Hat Corona Einfluss auf die Finanzplanung der potenziellen Kulturhauptstadt Nürnberg?

Nein. Der Freistaat hat ja bereits im Landtag den Zuschuss von 30 Millionen Euro beschlossen. Die sind in den Haushalt eingestellt. Ich gehe davon aus, dass die Stadt auch weiterhin zu ihren zugesagten 30 Millionen steht. Und vom Bund wird ebenfalls ein Beitrag kommen. Wir hatten für die Metropolregion im ersten Bidbook eine Zahl stehen, die wir nicht erreicht haben, aber sie war auch sehr hoch angesetzt mit 7 Millionen Euro. Wir sind jetzt bei 6,12 Millionen an Zusagen und das ist gerade angesichts der Corona-Pandemie großartig! Nürnbergs Bewerbung steht auf soliden finanziellen Beinen. Die Zuschüsse werden es uns erlauben, über das künstlerische Programm hinaus auch Infrastrukturmaßnahmen zu verwirklichen – wie etwa die Neukonzeption des Museums Industriekultur oder erste Investitionen in die Kongresshalle.

Wen sehen Sie denn als größten Konkurrenten Nürnbergs um den Titel?

Ich glaube, die Wahl kann auf jede Stadt fallen.

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