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"Nürnberger Weg" der kleinen Schritte: Julia Lehner zur Ateliernot

20.4.2021, 18:40 Uhr
Ein Gebäude im Areal der Tillystraße wäre als Atelierhaus für 20 bis 30 Künstler denkbar.

© Michael Matejka Ein Gebäude im Areal der Tillystraße wäre als Atelierhaus für 20 bis 30 Künstler denkbar.

Kleine Häuser, kleine Sorgen, große Häuser, große Sorgen. Und das Kreativ-Areal AufAEG ist wahrlich kein heiterer Hühnerstall mehr. Wie berichtet plagen sich immer noch zwischen 50 und 100 verbliebene Künstler mit der existenziellen Frage herum, in welchen Nestern sie nach der Schließung zum 30. Juni brüten sollen, oder – um im Bild zu bleiben – ihre Eier legen.

Nein, es sei gar nicht so, dass es gar keine geeigneten Gebäude gebe. „Wir haben alle Großimmobilien durch das Liegenschaftsamt prüfen lassen“, so die Chefin des Kulturreferats, Julia Lehner. Auch am mangelnden Willen von Hausbesitzern, an Künstler zu vermieten, scheitere die Sache kaum.

Zu teuer für Künstler

Es war eine andere Wahrheit, die Lehners Team von Ortsterminen mit zurück ins Referat brachte: „Da herrscht bei Besitzern die Vorstellung, zehn Euro pro Quadratmeter seien zu zahlen, das Gebäude erst einmal selbst in Stand zu setzen, um die Vermietung dann mit einem Vertrag von 15 oder 20 Jahren“ zu besiegeln.

Dabei könnten sich selbst den gängigen Marktpreis von 8 Euro pro Quadratmeter „die allermeisten von uns nicht leisten“, so Daniel Bischoff, der als einer der AEG-Künstler am Mediengespräch teilnahm.

Kulturbürgermeisterin Julia Lehner in ihrem Büro.

Kulturbürgermeisterin Julia Lehner in ihrem Büro. © Stefan Hippel, NZ

Was Gebäude für größere Ateliergemeinschaften betrifft, ist laut Kulturbürgermeisterin „von 41 erkundeten Gebäuden nur eine einzige Immobilie übrig geblieben“. Es handelt sich wie berichtet um die Tillystraße 40. Lehner dazu: „Alleine diese Recherche hat gleich mehreren Behörden der Stadt einige Kapazitäten abverlangt.“

Der neu gegründete AEG-Künstlerverein „Bilderberg“ könnte als Hauptmieter fungieren, so der Plan der Kreativen. Nicht zuletzt, um den heiklen bürokratischen Anforderungen bei der Anmietung eines Großobjekts zu genügen, sei das notwenig, so Axel Gercke vom „Bilderberg“.

"Ein Riesending anzumieten"

„Wir haben so etwas auch noch nie gemacht, so ein Riesending anzumieten“, sagt Gercke über das ehemalige Bürogebäude in der Tillystraße. Trotz baulicher Mängel wie Räumen ohne Tageslicht betrachtet er die Aussicht als Hoffnungsschimmer: „Die Zeit läuft uns davon. Und wir haben, falls das klappt, von der Stadt die Zusicherung einer Anschubfinanzierung.“

Dass das städtische Kulturreferat kein „Immobilienvermittlungsbüro“ ist, hatte Lehner bereits vormals betont. „Aber wir stehen gerne auch beratend zur Seite.“
Was das kommunale Projekt „Raumkompass“ als Kontaktbörse für mietsuchende Künstler und Hausbesitzer betrifft, hat Lehner eines gelernt: „Wir müssen in kleinen Schritten denken.“

Kiosk in Buchenbühl

Immerhin einige Problemlösungen habe es schon gegeben, bei diesem „Nürnberger Weg“, wie sie das „formatierte Vorgehen“ der Stadt bezeichnet.
Etwa konnte die kommunale Wohnungsbaugesellschaft (Wbg) der gekündigten Ateliergemeinschaft Marienstraße zu Zwischennutz-Räumen in einem ehemaligen Supermarkt in Langwasser verhelfen. Langfristig soll die Gruppe in eine leerstehende Gaststätte im Stadtteil Werderau ziehen.

Künstler Axel Gercke muss mit vielen anderen sein Atelier AufAEG verlassen.

Künstler Axel Gercke muss mit vielen anderen sein Atelier AufAEG verlassen. © NN-Kunstpreis

Zudem würden die jahrelang kaum nachgefragten „Atelierwohnungen“ in Bauten der Wbg plötzlich wieder gerne bezogen. Die Baugesellschaft wolle den Kunstraum-Wohnraum-Mix nun bei künftigen Projekten wieder mit einplanen. Offenbar schlug der Sensor des „Raumkompass“ sonst eher peripher aus: Ein Kiosk in Buchenbühl oder leere Läden in der Südstadt dürften demnach bald mit Kunst gefüllt sein.

Nach dem Umbau des Künstlerhauses bis 2022 plant die Stadt laut Lehner, die derzeitigen Ausweich-Räume in der Peuntgasse 5 bis 7 in acht Ateliers umzumünzen. Die alte Bauhofkantine nebenan stünde dann als Multifunktionsraum für Künstler zur Verfügung.

Kongresshalle als Perspektive?

Nur die Hoffnung der AEG-Künstler, das jahrelang gewachsene Miteinander in ein größeres Atelierhaus mit „Co-Work-Spaces“ zu retten, wird durch den Nürnberger Weg der kleinen Schritte erst einmal gedämpft.

Indes wären solche „Spaces“ in einer künstlerisch genutzten Kongresshalle denkbar. Lehner: „Wir halten an dieser Perspektive fest“. Verschiedene Sparten könnten unterkommen – mit Lagern, Depots und Zonen, um auszustellen.

Einen Zeitplan wollte Lehner nicht nennen: „Jetzt brauchen wir Geld, um die Baukosten zu ermitteln.“

So bleibt die Kongresshalle Zukunftsmusik, während es vielen Kulturschaffenden aktuell „einfach nur darum geht, weiterarbeiten zu können“, wie Bischoff sagt.

Ängste bei Vermietern weiß er zu entkräften. AufAEG habe gezeigt: „Künstler bezahlen zuverlässig Miete und sind handwerklich gut drauf. Es kann schön sein, sie im Haus zu haben.“

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