Schüsse aus der Ferne: Stuttgarter "Tatort" im Check

23.5.2020, 22:11 Uhr
Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare, r) müssen in "Du allein" einem Heckenschützen das Handwerk legen.

© SWR/Benoît Linder Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare, r) müssen in "Du allein" einem Heckenschützen das Handwerk legen.

Um was geht's? Mit einem gezielten Schuss aus über 200 Meter Entfernung tötet ein Unbekannter eine Journalistin wenige Schritte vor deren Haustür. Von einem Motiv fehlt jede Spur. Einzig verwertbares Indiz ist eine Patronenhülse mit einer eingravierten "1".

Was passiert dann? Nur einen Tag später landet ein anonymes Schreiben auf Lannerts (Richy Müller) und Bootz' (Felix Klare) Tisch. Darin wird die Polizei zu einer Zahlung von drei Millionen Euro aufgefordert. Sollte das Geld nicht fließen, kündigt der Verfasser weitere Morde an.

Und nun? Nachdem die Geldübergabe scheitert, macht der Täter seine Drohung wahr und tötet einen Jogger in den Weinbergen. Wieder scheinbar wahllos. Doch Lannert und Bootz erkennen so langsam aber sicher ein Muster hinter den auf den ersten Blick zusammenhanglosen Morden. Ihnen und dem Rest der eigens einberufenen SOKO geht ein Licht auf.

Die Geschichte hinter der Geschichte: Wolfgang Stauchs wendungsreiches Drehbuch enthält Elemente, die an einen Fall erinnern, der sich vor dreieinhalb Jahren in einer Bankfiliale in Essen ereignete. Womöglich hat dieses Ereignis, bei dem ein Rentner sein Leben verlor, den Autor zu seiner Arbeit inspiriert.

Die Erklärung des Films: Menschen, die ihre Wohnung nicht mehr verlassen können, leiden zumeist unter einer Agoraphobie, einer Form der Angststörung, die dazu führt, dass es den Betroffenen nicht mehr möglich ist, sich außerhalb des sie schützenden Zuhauses aufzuhalten. Allein der Gedanke daran, ein Geschäft zu betreten oder sich inmitten einer großen Menschenmenge auf einem öffentlichen Platz zu bewegen, löst bei Patienten Panikattacken aus.

Die erste Randnotiz des Films: Unter dem Namen Dagobert ging der Berliner Arno Funke in die deutsche Kriminalgeschichte ein. Ende der Achtziger erpresste er das KaDeWe, Anfang der Neunziger den Karstadt-Konzern. 1994 wurde Funke gefasst und saß bis 2000 in Berlin-Plötzensee ein. Seither arbeitet er unter anderem als Zeichner für das Satiremagazin "Eulenspiegel".

Die zweite Randnotiz des Films: Arkadij Babtschenko ist ein russischer Journalist, dessen fingierte Ermordung 2018 für Wirbel sorgte. In einem Artikel des Deutschlandfunks heißt es dazu, der ukrainische Geheimdienst habe erklärt, Babtschenko sei tatsächlich Ziel eines Anschlags gewesen, hinter dem Russland stehe. Daher sei die Inszenierung nötig gewesen, um Babtschenko zu retten und um die Hintermänner dingfest zu machen.

Unser Fazit: "Du allein" will nur zu Beginn ein klassischer Krimi sein. Mit zunehmender Spieldauer entwickelt sich Friederike Jehns pfiffiger erster "Tatort" immer mehr zu einem Drama, in dem auffallend viele falsche Fährten gelegt werden, verschiedene Zeitebenen fast unmerklich miteinander verwoben sind und Carolina Vera ihre Abschiedsvorstellung als Staatsanwältin gibt. Das alles ist gut. Sehr gut sogar.

"Du allein" läuft am Sonntag, 24. Mai, um 20.15 Uhr im Ersten. Auf ONE wird der Krimi um 21.45 und 0 Uhr wiederholt. In der Nacht von Montag, 25. Mai, auf Dienstag, 26. Mai, zeigt Das Erste "Du allein" erneut. Sendebeginn ist dann um 0.35 Uhr.

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