Silvester und Neujahr ohne Konzerte? Wer hören will, muss heuer fernsehen

22.12.2020, 16:11 Uhr
Dürfen nicht an ihrem angestammten Arbeitsplatz zum Neujahrskonzert laden: Die Musiker der Staatsphilharmonie Nürnberg unter ihrer Chefin GMD Joana Mallwitz.

© Simon Pauly, Staatstheater Nürnberg Dürfen nicht an ihrem angestammten Arbeitsplatz zum Neujahrskonzert laden: Die Musiker der Staatsphilharmonie Nürnberg unter ihrer Chefin GMD Joana Mallwitz.

Wer würde nicht auf ein besseres neues Jahr hoffen, auf ein Jahr 2021, in dem das Corona-Virus zurückgedrängt, die Menschen wieder freier atmen können und die Kultur wieder aufblüht.

Ausgebootet: Das Ensemble Kontraste, der aktuelle Träger des Großen Kulturpreises der Stadt Nürnberg,  kann heuer nicht zu seinem legendären Neujahrskonzert in die Tafelhalle laden. 

Ausgebootet: Das Ensemble Kontraste, der aktuelle Träger des Großen Kulturpreises der Stadt Nürnberg,  kann heuer nicht zu seinem legendären Neujahrskonzert in die Tafelhalle laden.  © Uwe Dlouhy

Viele Menschen sind rund um Silvester und Neujahr abergläubisch, pflegen akribisch liebgewordene Rituale, weil sie ja in der Vergangenheit vermeintlich Glück gebracht haben. Doch die Freunde der klassischen Musik müssen zu Beginn dieses so sehnsüchtig erwarteten, weil hoffentlich Erlösung von Corona bringenden neuem Jahr auf eine ihrer liebsten und wichtigsten Traditionen verzichten: die Neujahrskonzerte.


Der Beginn von 2020: Die Neujahrskonzerte der Staatsphilharmonie und der Symphoniker


Staatsphilharmonie Nürnberg und Nürnberger Symphoniker, die beiden wichtigsten professionellen Klassikorchester der Stadt, vermelden gerade zu unisono den Ausfall ihrer diesjährigen Neujahrskonzerte. Alles andere wäre ja angesichts des momentanen Lockdowns und der immer noch hohen Infektionszahlen unrealistisch – man kann ein Neujahrskonzert schlecht auf einen Tag X verschieben, an dem das kulturelle Leben dann irgendwann endlich wieder hochfährt.

Würde dem Coronavirus im Neujahrskonzert am liebsten gerne persönlich den Marsch blasen, darf aber nicht: Kahchun Wong, Chefdirigent der Nürnberger Symphoniker.

Würde dem Coronavirus im Neujahrskonzert am liebsten gerne persönlich den Marsch blasen, darf aber nicht: Kahchun Wong, Chefdirigent der Nürnberger Symphoniker. © Roland Fengler

Das gleiche traurige Ergebnis ist zu verkünden für das Ensemble Kontraste – immerhin der aktuelle Träger des Großen Kulturpreises der Stadt Nürnberg – und sein legendäres Neujahrskonzert in der Tafelhalle, traditionsgemäß am 1. Januar immer das früheste im Neuen Nürnberger Jahr. Dieses Mal bleibt auch dieser Termin im Kalender leer.

Die Nürnberger Symphoniker verkünden zwar fast trotzig ihre ursprünglichen Konzertpläne für ihr 75. Jubiläumsjahr weiterhin auf der Homepage, aber ein kleines rotes „Abgesagt“-Schild kündet von der live-musiklosen Zeit zu Beginn des neuen Jahrs. Schreibt man die Symphoniker an, kündet eine Mail sogar von „Betriebsferien“ – ein Novum in der sonst sehr aktiven Zeit des Jahreswechsels.

Ganz anders, aber auch nicht viel besser sehen die Dinge bei den großen „Playern“ unter den Orchestern im deutschsprachigen Raum aus. Zuvörderst zu nennen wären da die Berliner Philharmoniker, die Staatskapelle Dresden und die Wiener Philharmoniker, die in den letzten Jahren zuverlässig die mediale Grundversorgung an Silvester- und Neujahrskonzerten im Fernsehen sichergestellt haben.

Der Sender Arte überträgt, wenn Chefdirigent Kirill Petrenko am 31. Dezember zum Silvesterkonzert der Berliner Philharmoniker lädt. In die Berliner Philharmonie dürfen jedoch keine Zuschauer, es handelt sich also um eine Art Geisterkonzert. 

Der Sender Arte überträgt, wenn Chefdirigent Kirill Petrenko am 31. Dezember zum Silvesterkonzert der Berliner Philharmoniker lädt. In die Berliner Philharmonie dürfen jedoch keine Zuschauer, es handelt sich also um eine Art Geisterkonzert.  © Monika Rittershaus

Man bewegt sich hier in der Champions League der klassischen Musik. Deshalb gibt es, vergleichbar mit den Geisterspielen in der Königsklasse, hier sozusagen Geisterkonzerte.

Illusionen lassen sich da leicht mit anpreisen. Die Berliner Philharmoniker versprechen ein Konzert unter „südlicher Sonne“ mit spanischen und südamerikanischen Komponisten, aber auch mit Abstechern nach Russland und zu Beethoven. Chefdirigent Kirill Petrenko leitet das Silvesterkonzert, das nicht nur in der hauseigenen Digital Concert Hall live gestreamt (18 Uhr), sondern auch auf Arte (31. Dezember, zeitversetzt um 18.35 Uhr) und rbb Kultur übertragen wird.

Den Mercedes unter den Neujahrskonzerten fahren die Wiener Philharmoniker. In über 90 Länder weltweit wird die Veranstaltung am Vormittag des 1. Januar übertragen, das ist auch dieses Jahr nicht anders. Allerdings bleiben die Reihen des Goldenen Musikvereinssaals in Wien dieses Mal ohne Publikum.

Da wird es bei der unvermeidlichen Radetzky-Marsch-Zugabe dieses Mal schwierig mit dem Mitklatschen. Riccardo Muti dirigiert das Konzert mit seiner bewährten Mischung aus Wiener Walzer-, Marsch- und Polka-Großmeistern plus ausgewählter Werke von Gastkomponisten zum 6. Mal in seiner langen Karriere. (ZDF, 1. Januar 2021, 11.15 Uhr).

Leibhaftiger Garant für Sektlaune, auch wenn er zu Silvester nur einen Zusammenschnitt von Aufnahmen des SWR-Symphonieorchesters unter Chefdirigent Teodor Currentzis moderiert: Thomas Gottschalk.

Leibhaftiger Garant für Sektlaune, auch wenn er zu Silvester nur einen Zusammenschnitt von Aufnahmen des SWR-Symphonieorchesters unter Chefdirigent Teodor Currentzis moderiert: Thomas Gottschalk. © Stefan Gregorowius

Ersatzlos gestrichen wurde heuer das Silvesterkonzert mit der Dresdner Staatskapelle unter Christian Thielemann aus der Semperoper – sonst auch ein gern gesehener „Übertragungsgast“. Dafür gestaltet die ARD ihr Silvesterkonzert mit dem SWR-Symphonieorchester und seinem Chefdirigenten Teodor Currentzis.


Junge Musiker lösten bei Neujahrskonzert Jubel aus


Allerdings nicht live, sondern aus der Retorte, als Zusammenschnitt relativ junger Aufnahmen. Als Klammer für das Ganze fungiert Moderator Thomas Gottschalk, sozusagen ein leibhaftiger Garant für Sektlaune. (ARD, 31. Dezember, 17 Uhr).

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