Stundenlange Kundgebung

Linker Protest gegen "politische Urteile" und "Polizeigewalt" in Nürnberg

16.10.2021, 18:10 Uhr
Gleich in der Glockendonstraße stoppt die Polizei den Zug zum ersten Mal, um die Einhaltung der Auflagen einzufordern.  

© Wolfgang Heilig-Achneck Gleich in der Glockendonstraße stoppt die Polizei den Zug zum ersten Mal, um die Einhaltung der Auflagen einzufordern.  

Transparente und Tafeln trugen Parolen wie "Unsere Solidarität gegen ihre Repression" und "Wir sind nicht alle, es fehlen die Gefangenen". Denn der Protest richtete sich auch und vor allem gegen die Verurteilung eines Mitglieds der Autonomen Szene in Nürnberg. Im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen rund um den Jamnitzerplatz in Gostenhof war der Aktivist kürzlich wegen Widerstands und weiterer Delikte zu gut einem Jahr Haft verurteilt worden.

Beteiligung auch aus anderen Städten

Zu dem Protest gegen den angeblichen "Schauprozess" und für die Freilassung aller "politischen Gefangenen" hatte die Organisierte Autonomie, unterstützt von diversen linken Gruppen, über Nürnberg hinaus aufgerufen. So beteiligten sich auch Demonstranten etwa aus anderen Teilen Franken, aus München und aus Baden-Württemberg. So scharten sich bis zu 500 Teilnehmer um das Motto "Ausbruch - Aufbruch - Anarchie".

Sprecherinnen und Sprecher - alle versteckten sich auf dem Lautsprecherwagen anonym hinter Tüchern - beschworen in aufpeitschenden Reden "Wut und Entschlossenheit" und ließen aus dem vertrauten Arsenal rhetorischer Angriffe nichts aus - vom "Bullenstaat BRD" bis zum "Scheiß-Unterdrückungssystem". Die ärmere Bevölkerung, so eine ihrer Behauptungen, habe von Staat und Polizei nichts zu erwarten - außer frühmorgens wegen einer Abschiebung oder Zwangsräumung aus der Wohnung geholt zu werden. Besonders Gostenhof sei, so ihre Kritik, von Gentrifizierung betroffen - was in diversen Untersuchungen bisher allerdings nicht zu belegen war.

Schwarzer Block

Kaum hatte sich der Zug gegen 14.40 Uhr in Bewegung gesetzt, kam es noch in der Glockendonstraße zu einer ersten Konfrontation mit der Polizei. Kein Wunder, hatte sich doch der sogenannte Schwarze Block an der Spitze mit lückenlos gehaltenen, seitlichen Transparenten und Regenschirmen regelrecht abgeschottet - ein Verstoß gegen die Auflagen der Ordnungsbehörden (vom fehlenden Mindestabstand ganz zu schweigen). Laut Polizei zündeten manche der Teilnehmer Böller und warfen sie gezielt in Richtung der Polizeibeamten. Als Teilnehmer in der Spitze des Aufzuges versuchten, eine Polizeikette mit Gewalt zu durchbrechen, setzten die Beamten Schlagstöcke und Pfefferspray ein.

Die Einsatzleitung verlangte die Umsetzung der Vorgaben und drohte mit Auflösung der Veranstaltung; erst nach längerem Hin und Her ging es weiter, doch in der Fürther Straße wiederholte sich das Spiel: Die USK-Kräfte blockierten den Weg, um die Einhaltung der Auflagen durchzusetzen. Die Demonstranten konterten mit Rufen wie "Haut ab" und wollten dann eben an Ort und Stelle ausharren: "Wir haben viel Zeit". Nach knapp zwei Stunden ging es doch weiter - anders als ursprünglich vorgesehen nicht mehr zur Justizvollzugsanstalt, sondern Richtung Innenstadt. Gegen 18 Uhr war, verbunden mit weiteren Verkehrsbehinderungen, der Willy-Brandt-Platz als Ziel erreicht.

Verletzte gibt es nach derzeitigem Kenntnisstand nicht. Die Polizeiinspektion Nürnberg West leitete Ermittlungsverfahren - derzeit noch gegen unbekannte Täter - wegen Widerstands gegen und tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte, sowie Ordnungswidrigkeitenverfahren ein.