Inselstaat mit unterschiedlichsten Kulturen

Malta: An der Grenze zwischen Orient und Okzident

29.5.2021, 07:44 Uhr
Während viele Straßennamen an die arabische Vergangenheit erinnern, macht sich der süditalienische Einfluss baulich vielerorts deutlich bemerkbar. Kein Wunder: Nur 90km Luftlinie entfernt liegt Palermo auf Sizilien.

© Claudia Weinig Während viele Straßennamen an die arabische Vergangenheit erinnern, macht sich der süditalienische Einfluss baulich vielerorts deutlich bemerkbar. Kein Wunder: Nur 90km Luftlinie entfernt liegt Palermo auf Sizilien.

Eine Identität, die seit Jahrtausenden im Werden ist. Schon 5000 Jahre vor Christus kamen die ersten Siedler auf die Insel. Die Phönizier waren da, die Römer folgten und gegen 1530 ließ sich der Malteserorden, dessen Ursprung in Jerusalem liegt, nieder. Dessen Tradition und Geschichte ist auch heute noch omnipräsent – spätestens in den unzähligen Souvenirgeschäften, die das markante Malteserkreuz in allen denkbaren Varianten anbieten: Vom chinesischen Billigdruck auf der Kaffeetasse bis zur filigran gearbeiteten Halskette.

Auch die Franzosen gaben ebenfalls ein kurzes Gastspiel, ehe sie den Engländern die Insel überlassen mussten. 1964 unterzeichnete Königin Elisabeth II. die Unabhängigkeitserklärung des Inselstaates. Im Sommer ist Malta auch ein Badeziel, in Herbst und Winter ein Fluchtort, wenn es bei uns grau und nasskalt ist. Denn der Inselstaat hat auch jenseits der Sonnenliege einiges zu bieten und tut das, was es seit Anbeginn tut: es verändert sich. Und so war die Geschichte schon immer präsent. Man stolpert an allen Ecken und Enden über sie – oft allerdings zum Leidwesen der Straßenbauer, die ihre Arbeit vielerorts immer wieder wegen archäologischer Funde unterbrechen müssen.

Malta hat – statistisch gesehen – die fünfthöchste Bevölkerungsdichte der Welt und die dritthöchste Europas. Aber rund 94 Prozent der Menschen leben in den (wenigen) Städten. Was im Umkehrschluss bedeutet: wer sich jenseits der Stadtmauern bewegt, findet die unberührten und wilden Seiten der Insel, etwa hoch oben auf Klippen, aber auch in beschaulichen Gässchen mit südlichem Flair und in Tavernen mit Meerblick.

In Corona-Zeiten mehr denn je. So lässt sich Mdina, die ehemalige Hauptstadt Maltas und normalerweise ein touristischer Hotspot, in ungewohnter Ruhe und Beschaulichkeit erkunden. 4000 Jahre Geschichte beherbergen die dicken Mauern, in denen man sich um Jahrhunderte in der Zeit zurückversetzt glaubt. Nicht umsonst gilt sie als eine der schönsten Städte im gesamten Mittelmeerraum.

Rückbesinnung auf die Tradtion auch in den Töpfen

Nebenbei: Wenn einem zwischendurch der Magen knurrt, sollte man unbedingt in einem der gemütlichen Restaurants einkehren. Nicht nur in Mdina. Sondern generell. Denn in den vergangenen Jahren besannen sich viele Köche der bewegten Geschichte, die sich auch in den Kochtöpfen widerspiegelt. Vorbei ist also auch gastronomisch die britische Kolonialzeit. Frischer Fisch in Variationen, die köstlich gefüllten Blätterteigtaschen Pastizzi oder der Kanincheneintopf Stuffat tal Fenek – Orient trifft Okzident. Einfach lecker!

Aufmerksam, stilvoll und dabei angenehm unaufdringlich lässt es sich first class speisen und logieren, etwa im etablierten Hotel Phoenicia. Unterhalb der Festung von Maltas Hauptstadt Valetta gelegen, gebaut in den 1940er Jahren, atmet es den Duft von prächtigen Kolonialzeiten genauso wie mediterrane Leichtigkeit von heute. Glück dem, der Concierge Charlo Xuereb nicht nur in der Rolle des freundlichen Empfangschefs erlebt, sondern auch als hingebungsvollen Geiger, der die coronabedingte Touristenflaute dazu nutzte, sich seine eigene Violine zu bauen. Beim Vier-Gänge-Menü auf der luftigen Hotelterrasse liefert er die Hintergrundmusik. Leicht wie ein Soffle, mit Liebe und Hingabe serviert.

Sich mal als Conte oder Contessa fühlen

Diese Attribute kann auch Graf Clement de Piro für sich in Anspruch nehmen. Auch wenn es der 47-Jährige für sich nicht so propagieren würde. Vielmehr lebt er mit seiner Familie dieses Prinzip. Seit Mitte 2019 ist das aufwändig sanierte historische Anwesen der Familie „Casa Rocca Piccola“, erbaut im 16. Jahrhundert, in Teilen als Museum und als B&B-Unterkunft für Gäste offen. Sich einmal als Conte oder Contessa fühlen, mitten im Herzen der quirligen und lebendigen Hauptstadt – hier ist dafür der richtige Ort. Nicht mit plüschigem Pomp, sondern mit viel Gefühl für Geschichte und Details. Darum hat die authentische Damenankleide aus dem 19. Jahrhundert im ersten Stock genauso ihren Platz wie das Kellerlabyrinth, das im 2. Weltkrieg als Luftschutzbunker diente. Auch er ist erhalten.

Der unkomplizierte maltesische Lebensstil liegt irgendwo zwischen britisch-korrekt, italienischer Leichtigkeit und arabischem Gleichmut. Er pendelt zwischen Erdverbundenheit, Traditionsbewusstsein und lebendiger Moderne. Diese Mischung ist es vielleicht, die Menschen in die Inselrepublik lockt. Wie Julia Hering. Als Backpackerin vor elf Jahren in Malta an Land gegangen, ist die heute 31-Jährige in Nadur auf Maltas Nachbarinsel Gozo ein bekanntes Gesicht. Zusammen mit ihrem Lebensgefährten Matthew steht sie Tag für Tag in einem roh gemauerten Gewölbe, in dem seit über 100 Jahren die Bäckerei der Familie fürs tägliche Brot sorgt. Und für viele andere süße und salzige maltesische Spezialitäten, die im traditionellen Holzofen gebacken werden. Hier etwas zu probieren ist ein absolutes Muss!

Eher in Brauntönen mit pittoresquen Häfen präsentiert sich Malta im Herbst. Kein Wunder angesichts rund 300 Sonnentagen im Jahr, an denen es im Hochsommer richtig heiß werden kann. Dafür belohnt die Insel mit milden Wintern und bietet sich darum umso mehr an, wer dem grauen Monaten in Deutschland entfliehen will.

Eher in Brauntönen mit pittoresquen Häfen präsentiert sich Malta im Herbst. Kein Wunder angesichts rund 300 Sonnentagen im Jahr, an denen es im Hochsommer richtig heiß werden kann. Dafür belohnt die Insel mit milden Wintern und bietet sich darum umso mehr an, wer dem grauen Monaten in Deutschland entfliehen will. © Claudia Weinig

Gozo, die zweitgrößte maltesische Insel, erreicht man locker in 30 Minuten mit der Fähre. Um etwa in die kleine versteckte Dwerja Bay zum Schnorcheln und Sonnen zu fahren oder in die Bucht von Masalforn zum Kiten oder in die ruhigen Nebenstraßen zum Biken. Für Aktiv-Outdoor-Urlauber ein perfekter Spot, um sich austoben und zugleich ausruhen zu können. Nebenbei: Für ein typisches Mitbringsel bietet sich ein Ausflug nach Xwejni Bay an Gozos Nordküste an. Westlich der Ortschaft Marsalforn wird in Salzpfannen entlang des flachen Strands Salz aus dem Meer gewonnen. So wie vor Jahrhunderten schon. Auch das eine gelebte Tradition.

Zum „Malta-Komplett-Paket“ gehört auch ein Bootsausflug nach Comino. Es ist die kleinste der bewohnten maltesischen Inseln. Nur noch drei Malteser – der jüngste ist 75 – haben hier ihr Zuhause. Mit Ausflugsbooten leicht zu erreichen, sollte eines im Tagesgepäck nicht vergessen werden: Schwimm- und Schnorchelzeug. Denn spektakulär ist die Unterwasserwelt dort. Auch das bestens geeignet, um dem heimischen Schlechtwetterblues nach zwei Flugstunden zu entfliehen.

Mehr Informationen:
Fremdenverkehrsamt Malta, www.visitmalta.com, das diese Reise unterstützte.
Anreise:
Malta wird von acht deutsche Flughäfen direkt angeflogen, darunter München und Frankfurt am Main
Reisezeit:
Trockene Sommer mit Temperaturen von durchschnittlich bis zu 32 Grad; in den Herbst- und Wintermonaten milde
Temperaturen, selten unter 10 Grad, jedoch mit Regenwahrscheinlichkeit im Dezember).

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