Nur scheinbar alternativlos: Es muss andere Wege als einen Lockdown geben

Manuel Kugler

Redaktion Politik und Wirtschaft

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3.1.2021, 15:04 Uhr
Die leere Nürnberger Innenstadt: Einfach alles dicht zu machen, Ausgangssperren für alle zu verordnen – das ist, nüchtern betrachtet, Medizin aus dem Mittelalter. 

© Michael Matejka, NNZ Die leere Nürnberger Innenstadt: Einfach alles dicht zu machen, Ausgangssperren für alle zu verordnen – das ist, nüchtern betrachtet, Medizin aus dem Mittelalter. 

Manchmal kann man darüber nur erschrecken: Es scheint im Deutschland der Jahre 2020 und 2021 selbstverständlich geworden zu sein, die Schließung von Schulen und Läden sowie die Einschränkung von Grundrechten zu fordern, während gleichzeitig die Rückgabe dieser Rechte allen Ernstes unter dem Begriff "Privilegien" verhandelt wird. Nennenswerter Protest, zumindest von seriöser Seite, regt sich jedenfalls kaum noch.

Im Gegenteil: Wer Kritik übt, erntet entsetzte Reaktionen. Ob man denn nicht wisse, was auf den Intensivstationen los sei, heißt es dann. Ob einem denn die Hunderten Toten egal seien, die das Robert-Koch-Institut Tag für Tag vermeldet.

Reaktionen, die nicht nur von der Unnachgiebigkeit, mit der inzwischen über Corona gestritten wird, zeugen, sondern die auch offenlegen, welche scheinbare Zwangsläufigkeit sich in den Köpfen verfestigt hat: Die Infektionszahlen sind zu hoch, also ist ein Lockdown unausweichlich. Mit dem Begriff "alternativlos" hat die Kanzlerin in früheren Zeiten so etwas einmal beschrieben – und ist damals zu Recht kritisiert worden. Alternativlos ist selten etwas.

Das gilt auch für den Lockdown, das völlige Herunterfahren einer Gesellschaft, an das wir uns – beunruhigend, wenn man darüber nachdenkt – fast schon gewöhnt haben. Einfach alles dicht zu machen, Ausgangssperren für alle zu verordnen – das ist, nüchtern betrachtet, Medizin aus dem Mittelalter. Das heißt nicht, dass sie nicht funktionieren würde. Doch sie hat gravierende Nebenwirkungen.

Wenn Kinder, insbesondere solche aus Familien, in denen zuhause kein oder kaum Deutsch gesprochen wird, wochenlang keine Schule besuchen, wenn Betriebe vor dem Aus stehen und der Staat zwar lange, aber nicht für immer Millionen Beschäftigte vor der Arbeitslosigkeit bewahren kann, wenn Menschen in Einsamkeit verfallen, dann hat das massive Folgen für unsere Gesellschaft.

Die Corona-App - ein zahnloser Tiger

Diese Folgen mangels Alternativen in Kauf zu nehmen, mag im Frühjahr gerechtfertigt gewesen sein. Doch inzwischen gibt es Ansätze für eben solche Alternativen. Der eine: die digitale Kontaktverfolgung, wie sie Staaten wie Südkorea vorgeführt haben. Doch die deutsche Corona-Warn-App wirkt heute eher wie ein "zahnloser Tiger" (Markus Söder) als die Wende im Kampf gegen das Virus, als die sie angekündigt wurde. Dabei würde eine App, die flächendeckende Kontaktverfolgung ermöglicht, die mit dieser Aufgabe überforderten Gesundheitsämter auf einen Schlag entlasten.

Der andere: der konsequente Schutz der Risikogruppen. Wenn das Virus vor allem für alte Menschen eine Gefahr darstellt, sollte sich die massive Kraftanstrengung des Staates auf den Schutz dieser Menschen fokussieren. Im Kern dieses Ansatzes stünde ein lückenloses (Schnell-)Testregime in Seniorenheimen.

Es ist schon richtig, dass die Politik zum Handeln verdammt ist angesichts der kritischen Lage in den Kliniken, die Krankenpfleger auf den Intensivstationen auch in der Region erleben. Alternativen zum Lockdown nicht ernsthaft genug verfolgt zu haben, ist angesichts der fortdauernden Freiheitseinschränkungen aber kaum zu rechtfertigen.

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