Heinsberg-Studie: Möglicherweise 1,8 Millionen Infizierte in Deutschland

4.5.2020, 11:33 Uhr
Prof. Dr. Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn, leitet die Studie.

© Federico Gambarini, dpa Prof. Dr. Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn, leitet die Studie.

In Deutschland könnten sich nach Ergebnissen der sogenannten Heinsberg-Studie mittlerweile möglicherweise 1,8 Millionen Menschen mit dem Coronavirus infiziert haben. Dies ergebe eine Schätzung auf der Grundlage einer Modellrechnung, teilte die Universität Bonn am Montag mit. Die Forscher um den Virologen Hendrik Streeck zogen für ihre Schätzung die Dunkelziffer der Infizierten in der untersuchten Gemeinde Gangelt im Kreis Heinsberg und die dort errechnete Sterblichkeitsrate bei einer Corona-Infektion heran. Daraus errechneten sie eine theoretische Zahl für Deutschland.

Ein Forscher-Team um Streeck hatte in der Ortschaft 919 Einwohner in 415 Haushalten befragt und Corona-Tests vorgenommen. In dem Ort hatten sich nach einer Karnevalssitzung Mitte Februar viele Bürger mit dem neuartigen Virus infiziert. Die Gemeinde gilt daher als Epizentrum des Virus. Die Situation ist nur bedingt vergleichbar mit anderen Regionen Deutschlands. Darauf weisen die Forscher in ihrer Studie auch hin.

Durch die Gesamtzahl aller Infizierter in dem Ort konnten die Forscher auch die Infektionssterblichkeit (IFR) bestimmten. "Sie liegt für SARS-CoV-2 für den Ausbruch in der Gemeinde Gangelt bei 0,37 Prozent", so der Studienleiter Prof. Dr. Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn. Mit der IFR lässt sich anhand der Zahl der Verstorbenen auch für andere Orte mit anderen Infektionsraten abschätzen, wie viele Menschen dort insgesamt infiziert sind.

Der Abgleich dieser Zahl mit der Zahl der offiziell gemeldeten Infizierten führt zur sogenannten Dunkelziffer, heißt es im Ergebnis der Studie weiter. Diese ist in Gangelt rund fünf Mal höher als die offiziell berichtete Zahl der positiv getesteten Personen. Legt man diese Hochrechnung auch für Deutschland zu Grunde, so ergäbe sich eine geschätzte Gesamtzahl von rund 1,8 Millionen Infizierten. Diese Dunkelziffer wäre damit um das zehnfache größer als die Gesamtzahl der offiziell gemeldeten Fälle in Deutschland.

Dass viele Infizierte nicht auffallen, hängt auch mit den Symptomen zusammen. Im Interview mit der FAZ, erklärte Streek, dass viele Infizierte in Gangelt wenige oder gar keine Symptome gezeigt hätten.

"Welche Schlüsse aus den Studienergebnissen gezogen werden, hängt von vielen Faktoren ab, die über eine rein wissenschaftliche Betrachtung hinausgehen", sagte Streeck. "Die Bewertung der Erkenntnisse und die Schlussfolgerungen für konkrete Entscheidungen obliegen der Gesellschaft und der Politik." Die Studie war im Auftrag der NRW-Landesregierung entstanden.


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