Kommentar: Edekas Werbung - das Gegenteil von Weihnachten

30.11.2015, 13:29 Uhr

Mir ist klar, was eine Image-Werbung ist. Mir ist klar, dass Edeka mir in den Spots nicht seine nächsten Angebote für Hackfleisch und Badreiniger zeigen muss. Mir ist klar, dass viele Menschen an Weihnachten alleine in ihrer Wohnung sitzen.

Aber ganz ehrlich: Wer sich von eineinhalb Minuten Werbung so einlullen lässt, dass er/sie in jeder Kommentarspalte von seinem tränenreichen Erlebnis erzählen muss, sollte vielleicht mal sein Verhältnis zum Rest der Welt abklopfen. Es gibt zahlreiche Romane, Alben, Bücher, Theaterstücke, Filme, Kurzgeschichten, Comics, Texte, Webseiten und Songs, die sich mit diesem Thema befasst haben. Doch anstatt sich damit zu beschäftigen, tauscht man sich nun darüber aus, wo man beim Erscheinen dieses kollektiven Großereignisses gewesen ist. "Hallo Opa, frohe Weihnachten. Bis bald."

Was an dieser Werbung vor allem stört: Sie führt das Leid und die Einsamkeit von Menschen vor, nur um einen Großkonzern in ein besseres Licht zu rücken. Hier macht ein Supermarktriese Werbung für sich und seine Produkte und letztendlich für billige Preise bei Hackfleisch und Badreiniger. Und in den Kommentarspalten wird so getan, als ob das hier ein Akt der Güte wäre, Edeka, der gute Geist der Gegenwart, Weihnachtsstimmung aus der Käsetheke. Und als wäre die traurige Einsamkeit von Opa noch nicht schlimm genug, muss er beim Möhrchen schneiden noch sehen, wie es dem Nachbarn besser geht - eines der schlimmsten Trauma im Nachkriegsdeutschland: wenn es auf der anderen Seite des Zauns schöner zugeht als in den eigenen vier Wänden. (Und wie können die sich überhaupt ein neues Auto leisten?)

Du kaufst bei Edeka, du stehst auf der richtigen Seite

Es geht in diesen eineinhalb Minuten nicht um die gute Sache, sondern darum, ans Geld der Kunden zu kommen. Die Packung Fluppen kauft sich auch gleich mit viel besserem Gewissen, wenn einem klar ist, dass Edeka ja ein gutes Herz hat. Du kaufst bei Edeka, du stehst auf der richtigen Seite.

Klar, Image-Werbung ist nichts Neues, gibt es in anderen Ländern an Weihnachten schon lange. Und auch das Thema ist nicht neu, auch die britische Kette John Lewis hat sich der einsamen alten Menschen angenommen - allerdings immerhin nicht ganz so plump wie Edeka. Am Ende heißt es in dem Spot: "Show someone they're loved this christmas." Und dafür machst Du bitte am besten Dein Portemonnaie bei uns im Geschäft ganz weit auf.

Macht Werbung, poliert euer Image auf, aber nervt mich nicht mit solchen plumpen Werbespots und tut nicht so, als ob euch das Leid von Menschen ernsthaft interessieren würde, liebe Chefs und Marketingsgurus bei Edeka - das tut es nämlich nicht. Auch nicht an Weihnachten. Leiharbeiter, Dumpinglöhne, schlechtes Betriebsklima - klar, das sind nur ein paar private Märkte, die aber in eurem Namen handeln. Allerdings ist es natürlich viel netter, wenn man einen einsamen Opa vor seine Möhrchen an einen Tisch setzt, traurig in die Kamera schauen lässt, sich des guten Zwecks sicher ist und dann das eigene Logo erscheint.

Und jeder Kommentar, der diesen Spot feiert, lässt den Milchpegel in der Badewanne steigen, in der Edeka sitzt, sich dort selbst und Jung von Matt für diesen Spot feiert, während die Gut&Günstig-H-Milch langsam über den dicken Schmierbauch schwappt. Und längst denken sie bei ihrem Spot nur noch an ein Wort: "Supergeil!"

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