15 Kilometer und nicht weiter: Die Hintergründe zum Corona-Gipfel

6.1.2021, 07:56 Uhr
In der Ministerpräsidentenkonferenz wurden weitere Regelungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie beschlossen. 

© Michael Kappeler, dpa In der Ministerpräsidentenkonferenz wurden weitere Regelungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie beschlossen. 

Das deutsche Corona-ABC ist um einen Fachausdruck reicher. Nun müssen sich die Bürgerinnen und Bürger neben "Ausnahmezustand", "Shutdown" , "Quarantäne" und diversen anderen Begriffen auch noch an das Wort "Bewegungsradius" gewöhnen. Das ist zumindest für diejenigen wichtig, die in einem Corona-Hotspot mit einem Inzidenzwert von 200 aufwärts leben. Mit diesem Wert sind positiv Getestete pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen gemeint.

Kurz nachdem bekannt geworden war, dass die Ministerpräsident(inn)en auf ihrer Videoschaltkonferenz über eine Einschränkung des Bewegungsradius auf 15 Kilometer diskutieren würden, hatte man in der Redaktion der Bild-Zeitung und in den Sozialen Netzwerken auch schon einen Spitznamen für die Neuerung gefunden: "Corona-Leine".

Eigentlich hatte alles nach einem vergleichsweise "harmlosen" Gipfel mit wenig Überraschungen ausgesehen. Denn schon in den zurückliegenden Tagen waren sich die Regierungen von Bund und Ländern darüber einig gewesen, dass der bis zum 10. Januar terminierte Lockdown verlängert werden müsse. Eine Öffnung der Schulen nach den Weihnachtsferien schien im Vorfeld weitgehend ausgeschlossen und dabei blieb es dann auch. Das bestätigte Markus Söder noch einmal ausdrücklich für Bayern.

Beginn des Gipfels immer wieder verschoben

Vor der für 11 Uhr geplanten Videokonferenz hatte sich herausgestellt, dass eine weitere Verschärfung in Gestalt eines Bewegungsradius zum zentralen Thema werden könnte. Daraufhin wurde der Beginn des Gipfels erst auf 13 und dann auf 14 Uhr verschoben. Einzelne Ministerpräsident(inn)en hatten offensichtlich noch internen Diskussionsbedarf, dem Vernehmen nach unter anderem in Nordrhein-Westfalen und in Hessen.

Wie fast immer gab es - grob gesprochen - zwei Gruppen: die Zögernden, die von der Wirksamkeit solcher Neuerungen erst noch überzeugt werden wollen. Und die Forscheren, die angesichts einer derzeit kaum einzudämmenden Pandemie schärfere Maßnahmen forderten. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) zählte zur zweiten Gruppe. Er hatte am Morgen vor der Konferenz in einem Rundfunkinterview betont, man müsse "viel härter" vorgehen.

Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) zählt sich ohnehin seit den Anfangszeiten zu den eifrigsten Pandemie-Bekämpfern. Sein sächsischer Kollege Michael Kretschmer (CDU) hat in der Hinsicht einen gewissen Wandel durchgemacht. Als sein Freistaat nicht besonders betroffen gewesen war, forderte er Ausnahmeregelungen. Nun, angesichts verheerender Inzidenzwerte in ostsächsischen Landkreisen, hat er sich auf Söders Seite geschlagen.

Tagesausflüge sind "kein triftiger Grund"

Die neue Regelung mit dem maximal erlaubten 15-Kilometer-Radius "um den Wohnort herum" (so Angela Merkel) sieht vor, dass niemand diesen Bereich verlassen darf, wenn er nicht einen triftigen Grund dafür vorweisen kann. Innerhalb von Großstädten gilt die 15-Kilometer-Grenze nicht. Der Weg zur Arbeit zählt zu den triftigen Gründen, tagestouristische Ausflüge und Einkaufstouren nicht. Am zurückliegenden Wochenende, nach dem Schneefall in vielen Regionen Deutschlands, war es zu Massenaufläufen an den innerdeutschen Urlaubsorten gekommen.

Im Moment weisen etwa 70 Landkreise in der Bundesrepublik einen Inzidenzwert von über 200 auf. Das Bundesland Sachsen brachte die Einschränkung des Bewegungsradius auf 15 Kilometer schon Mitte Dezember ins Spiel. Eine landesweit geltenden Verordnung sah Ausgangsbeschränkungen vor, erlaubte aber Bewegung im Freien innerhalb des Radius.

Die Kanzlerin wollte noch strengere Regeln

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich dem Vernehmen nach bereits am Vorabend des Corona-Gipfels für eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit ausgesprochen - und zwar schon ab einer Inzidenz von 100. Das hätte allerdings bedeutet, dass Deutschland nahezu flächendeckend betroffen gewesen wäre - einige Regionen wie Mecklenburg-Vorpommern ausgenommen.

Neben dem verkleinerten Bewegungsradius werden die Kontaktmöglichkeiten der Bürger noch einmal spürbar verschärft. Ein Haushalt darf nur noch eine haushaltsfremde Person empfangen. Diese Minimallösung mit einem einzigen erlaubten Gast sei nötig gewesen, "damit niemand alleine ist", sagte die Kanzlerin.


Neue Maßnahme: Diese Corona-Regeln wurden verkündet


Wenn es nach den Bundesbürgern geht, ist der Lockdown angemessen. Eine repräsentative Umfrage des Forschungsinstituts YouGov (2065 online befragte Menschen) ergab, dass 41 Prozent die bisher geltenden Beschränkungen fortführen und 24 Prozent sie sogar verschärfen möchten. Lediglich 17 Prozent fordern eine Lockerung und elf Prozent würden ganz auf Maßnahmen verzichten.

Die AfD als größte Oppositionsfraktion im Bundestag protestierte heftig gegen den 15-Kilometer-Radius. Die bayerische Landesvorsitzende Corinna Miazga schrieb auf Twitter, es handle sich um einen "Hausarrest" für die Bürger. Fraktionschefin Alice Weidel bezeichnete die Beschlüsse als "Willkür des demokratisch nicht legitimierten Corona-Kabinetts" und Zeichen für einen "wahnsinnig gewordenen Staat".

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