Ach, SPD! Wie soll man Dich noch wählen?

9.2.2018, 19:30 Uhr
Martin Schulz hätte nach der Wahl mehrfach die Chance gehabt, sein Versprechen zu halten und ohne Gesichtsverlust zurückzutreten.

© Andreas Arnold/dpa Martin Schulz hätte nach der Wahl mehrfach die Chance gehabt, sein Versprechen zu halten und ohne Gesichtsverlust zurückzutreten.

Wie verzweifelt muss ein Spitzenpolitiker sein, wenn er mit dem Wort "inständig" seine eigene Partei anfleht, doch bitte endlich mit der Selbstzerfleischung aufzuhören? Martin Schulz war es offenbar, sonst hätte er nicht davon gesprochen, dass er "inständig" hoffe, mit seinem Verzicht auf das Außenministerium auch die Personaldebatte in der SPD beenden zu könne.

Da dürfte er sich täuschen — und möglicherweise ist mit dem Drama, das Schulz und Sigmar Gabriel in den vergangenen beiden Tagen aufgeführt haben, nicht nur das SPD-Mitgliedervotum zur Großen Koalition schon entschieden, bevor es begonnen hat. Auch der Abstieg der stolzen Sozialdemokratie zu einer Splitterpartei könnte mit dem 9. Februar 2018 endgültig eingeläutet worden sein.

Mit atemberaubender Geschwindigkeit hat sich die SPD seit der Bundestagswahl demontiert. Und als Bürger muss man sich inzwischen fragen, ob man die Geschicke des Landes tatsächlich in die Hände dieser Partei legen will, die den Dolchstoß in den Rücken eines Parteifreundes zur Kunstform erhoben hat, die keinerlei taktische Weitsicht hat und in der Versprechen nichts mehr gelten. Auch die Genossen werden überlegen, ob sie beim Mitgliedervotum über den Koalitionsvertrag nicht doch ihrem Spitzenpersonal eine Denkpause in der Opposition verordnen.

Gabriels stilloses Verhalten

Nötig hätte sie es, diese Partei, der Deutschland so viel zu verdanken hat. Denn in den vergangenen Monaten hat sich eben nicht nur ein Einzelner, sondern die ganze Führungsmannschaft der SPD diskreditiert. Wer, wie Gabriel, die eigene Tochter zitiert, um seinen Widersacher auszubooten, zeigt keinerlei Gespür für Stil. Ebenso wie Schulz, der nach der Wahl mehrfach die Chance gehabt hätte, sein Versprechen zu halten und ohne Gesichtsverlust zurückzutreten, dies aber nicht tat, weil er unbedingt ins Außenamt wollte.

Aber auch Andrea Nahles und Olaf Scholz, die doch einen Neuanfang markieren sollen, haben mit miesen Tricks gekämpft. Beobachter berichten, dass Schulz bei den Koalitionsgesprächen nur noch pro forma dabei war und keine Entscheidung ohne den Parteivorstand treffen durfte — und das, obwohl Schulz da noch Vorsitzender der SPD war. Am Freitag stellte der Vorstand Schulz dann sogar ein Ultimatum für den Verzicht aufs Außenamt. Tiefer und schmerzhafter kann der Fall eines Parteichefs nicht sein, der noch vor einem Jahr mit 100 Prozent der Stimmen auf diesen Posten gewählt worden war.

Noch ein Affront?

Und jetzt, der erlösende Neuanfang nach dem reinigenden Gewitter? Eher nicht. Die SPD-Führung kann kaum anders, als Gabriel wieder das Außenministerium anzubieten. Alles andere wäre ein noch größerer Affront gegen den derzeit beliebtesten Politiker der Republik. Damit würden sich aber möglicherweise genau jene drei Politiker — Gabriel, Nahles, Scholz — gegenseitig kaltstellen, die am ehesten in der Lage sind, die Sozialdemokraten in die Post-Merkel-Zeit zu führen. Der Machtkampf in der SPD dürfte also weitergehen — nicht zuletzt, weil Nahles und Gabriel sich spinnefeind sind.

Keine guten Aussichten, auch nicht für Merkel und die Union. Sie brauchen so dringend wie nie zuvor eine stabile, zum Regieren bereite SPD, sonst endet die Ära Merkel vielleicht deutlich früher als gedacht.

Und keine guten Aussichten für die Demokratie: Union, SPD und nicht zuletzt die FDP haben genau jene Inkompetenz und Profilierungssucht bewiesen, die der AfD noch mehr Wähler in die Arme treiben wird. Sollten die Nationalisten und Rechtspopulisten demnächst mit in der Regierung sitzen, dann müsste man die Herren Gabriel, Schulz und Lindner fragen, ob sie das tatsächlich mit ihrem Machtpoker erreichen wollten.

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