Corona-Skeptiker: Verfassungsschutz stellt "Querdenker" unter Beobachtung

9.12.2020, 13:53 Uhr
Ein Teilnehmer schwingt auf dem Cannstatter Wasen in Stuttgart bei einer "Querdenker"-Protestkundgebung eine Reichsflagge.

© Christoph Schmidt, dpa Ein Teilnehmer schwingt auf dem Cannstatter Wasen in Stuttgart bei einer "Querdenker"-Protestkundgebung eine Reichsflagge.

Das Landesamt für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg beobachtet als erstes in Deutschland die "Querdenken"-Bewegung. Es lägen "hinreichend gewichtige Anhaltspunkte für eine extremistische Bestrebung" vor, teilten Innenminister Thomas Strobl und Verfassungsschutzpräsidentin Beate Bube am Mittwoch in Stuttgart mit.


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Mehrere maßgebliche Akteure der "Querdenken"-Bewegung ordne das Landesamt dem Milieu der Reichsbürger und Selbstverwalter zu, die die Existenz der Bundesrepublik leugnen und demokratische und rechtsstaatliche Strukturen negieren, hieß es. "Querdenken richtet sich gegen die freiheitliche Grundordnung", sagte Strobl. Die Gruppe geht seit Monaten gegen die staatlichen Corona-Einschränkungen auf die Straße. Auch in Nürnberg, Erlangen und anderen bayerischen Städten hatten "Querdenker" wiederholt Demonstrationen organisiert.

Der Innenminister erläuterte, die Beobachtung richte sich in erster Linie gegen die Organisatoren der Gruppe "Querdenken 711" in Stuttgart und ihre regionalen Ableger. Die Prüfung des Verfassungsschutzes habe ergeben, dass zentrale Akteure verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgten. Es handele sich um eine Gruppe von Personen "im niedrigen zweistelligen Bereich".

"Epizentrum liegt in Stuttgart"

Mit Blick auf die Organisatoren um Gründer Michael Ballweg sagte der Minister: "Das Epizentrum des Phänomens bildet die Gruppierung Querdenken 711 aus Stuttgart."

Strobl betonte aber, es gebe keinen "Generalverdacht" gegen Menschen, die gegen die staatliche verordneten Corona-Beschränkungen demonstrierten. "Es ruft nicht jede unliebsame Äußerung ruft den Verfassungsschutz auf den Plan."

Der CDU-Politiker ergänzte: "Die meisten Demonstranten sind keine Extremisten." Sie sollten aber schon schauen, wer mit ihnen läuft und welche Fahnen diese schwenkten.

Verfassungsschutzpräsidentin Bube erläuterte, "Querdenken" vernetze sich gezielt mit anderen Rechtsextremisten und Reichsbürgern. Als Beispiel nannte sie ein "Arbeitstreffen" der "Querdenken"-Gruppe mit dem prominenten Reichsbürger Peter Fitzek, der sein eigenes "Königreich Deutschland" ausgerufen hat.

Bayern will noch abwarten

Der Verfassungsschutz in Bayern beobachtet die "Querdenken"-Bewegung als Ganzes derzeit nicht. Allerdings würden ohnehin einzelne Personen aus dem Bereich Rechtsextremismus oder der "Reichsbürger"-Szene, die etwa als Anmelder, Teilnehmer, Sprecher oder Redner bei "Querdenken"-Veranstaltungen im Freistaat waren, beobachtet, sagte ein Sprecher des Landesamts am Mittwoch.


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Der bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle (CSU) bezeichnet die Entwicklung in der "Querdenker"-Szene als besorgniserregend. Bei deren Veranstaltungen seien immer häufiger rechtsextreme oder äußerst rechte politische Gruppen zugegen, etwa Anhänger der "Identitären Bewegung" und sogenannte Reichsbürger. In einem Brief bat er den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU), gemeinsam mit dem bayerischen Verfassungsschutz eine Beobachtung der "Querdenker" in Betracht zu ziehen.

Zuletzt hatte die Stuttgarter Initiative "Querdenken" eine große Demonstration gegen die Corona-Einschränkungen am Silvestertag in Berlin angekündigt. Angemeldet seien 22.500 Teilnehmer, teilte Initiator Michael Ballweg mit.

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