Demonstrieren in Corona-Zeiten: Trau, schau, wem

31.8.2020, 14:25 Uhr
Teilnehmer sammeln sich hinter Polizisten zu einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen.

© Kay Nietfeld, dpa Teilnehmer sammeln sich hinter Polizisten zu einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen.

Auf die Straße gegangen waren Alte und Junge, Akademiker und Arbeiter, Beamte und Selbstständige, Frauen und Männer, Yogis und Neonazis, Friedensbewegte und Schlägertypen, Menschen, die glauben, dass die Bundesrepublik gar nicht existiert oder, wenn doch, dass sie die falschen, jedenfalls zu rigide Regelungen beschlossen hat. Sie sind meistens Deutsche ohne Migrationshintergrund und finden, dass weder Abstandhalten noch Maskentragen gegen die Ausbreitung des Coronavirus hilft – und es auch nicht helfen muss, weil Corona so ähnlich wie eine Grippe sei. Und protestiert haben auch viele, die einfach besorgt sind, wie es mit und nach Corona weitergeht in diesem Land.

Sie alle haben das Recht, für ihre Meinungen und gegen die Regierungspolitik zu demonstrieren, das hat die Berliner Verwaltungsgerichtsbarkeit klargestellt. Selbst wer meint, dass die Grundrechte abgeschafft worden seien, durfte demonstrieren. Was aber, wenn aus den Reihen jener, die es nicht beim Demonstrieren belassen wollen, zu Gewalt gegen die Polizei, gegen Journalisten aufgerufen wird, wenn zum Sturm auf öffentliche Gebäude wie den Reichstag angesetzt wird, wenn die Flagge des deutschen Kaiserreichs von Rechtsextremisten missbraucht und triumphalistisch, als hätte man feindlich besetztes Gebiet erobert, vor dem Wahrzeichen des demokratischen Parlamentarismus in Deutschland gewedelt wird?

Demonstrationen zu verbieten, weil es möglicherweise zu Gewalttaten kommt, ist das allerletzte Mittel, das in einer Demokratie angewendet werden sollte. Behörden und Polizei können Demo-Veranstaltern auf sauberer Rechtsgrundlage Auflagen machen, und wenn diese, wie in Berlin mannigfach zu sehen, nicht eingehalten werden, dann ist der Zeitpunkt da, um einzuschreiten oder eine Veranstaltung zu beenden. Wenn Gewalt im Spiel ist, wie in Berlin oder, daran sei erinnert, beim G 20-Gipfel in Hamburg, dann sowieso. Selbst die Einrichtung von Bannmeilen rund um die Parlamente ist in Ausnahmesituationen nicht tabu.

Klare Abgrenzung

Wenn aber das Recht, für oder (meistens) gegen etwas zu demonstrieren, auch weiter uneingeschränkt gelten und gesellschaftlich akzeptiert werden soll, dann sind die Veranstalter aufgerufen, nicht nur rhetorisch zu versichern, dass sie ausschließlich friedliche und demokratische Absichten haben, sondern jenen, die genau das Gegenteil vorhaben, klar zu sagen, dass sie nicht erwünscht sind – und zwar auf allen Kanälen, in den sozialen Medien und mit klaren Worten auf der Bühne.

Und wer mit lauteren Absichten, besorgt um das Gemeinwohl und die wirtschaftliche wie soziale Entwicklung gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße geht, der sollte ruhig mal nach links und rechts blicken und streng prüfen, ob man sich wirklich in guter Gesellschaft befindet. Jene, die extremistische Ansichten haben, sind meistens klar auszumachen und zahlenmäßig begrenzt. Erst die Mitläufer verleihen ihnen eine gefühlte Stärke, die sie in der Realität nicht haben.

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