Gefährliche Gewöhnung: AfD-Erfolge dürfen nicht normal werden

30.8.2019, 10:25 Uhr

Ja, haben wir denn schon aufgegeben? Resigniert? Oder noch schlimmer: akzeptiert? Am 1. September wählen Sachsen und Brandenburg neue Landtage. Zwischen 20 und 25 Prozent der Bürger könnten laut Umfragen ihr Kreuz bei der AfD setzen. Jede vierte bis fünfte Stimme! Andreas Kalbitz, strammer Rechtsaußen und Spitzenkandidat in Brandenburg, bald Ministerpräsident? Nicht mehr undenkbar.

Und was ist? Nix is. Stille ist. Na ja, der Osten halt, weiß man doch, was erwartet man? Nein, nein, nein! Wir sollten erst gar nicht in die Nähe der Versuchung geraten, uns daran zu gewöhnen.

Unfrieden, Hass, Lügen

Denn erstens stimmt es so in dieser Absolutheit natürlich nicht. Das Klischee vom tendenziell braunen Osten ist zwar inzwischen so verbreitet, dass Kabarettisten damit spielen können. Aber es ist falsch. Eine klare Mehrheit wählt zum Glück nach wie vor eindeutige Demokraten. Und niemand sollte auch die vielen, oft privaten Initiativen geringschätzen, die nicht selten unter persönlichen Opfern der bei einem Teil ihrer Mitmenschen grassierenden Angst und Missgunst, von der Populisten immer leben, etwas entgegensetzen.

Zweitens aber ist der wachsende Anteil derer, die sich von der AfD fangen lassen, trotzdem alarmierend. Eine Partei, die Unfrieden sät, Hass und Neid auf Minderheiten schürt, dabei vor Lügen nicht zurückschreckt: So etwas darf nie normal werden in diesem Land. Nicht schon wieder.

Warum dafür gerade der Osten so anfällig scheint, dazu ist in den vergangenen Jahren viel geforscht worden. Wirtschaftliche Gründe spielen gewiss eine Rolle, allein können sie es aber nicht sein. Denn Regionen, die abgehängt zu werden drohen, gibt es auch im Westen – ohne, dass die AfD hier vergleichbar erfolgreich wäre. Es scheint auch eine Kopfsache zu sein. Das Gefühl zum Beispiel, nicht wahrgenommen zu werden, irgendwie selber immer zu kurz zu kommen. Unabhängig davon, ob das überhaupt stimmt.

Schweigen hilft nichts

Dagegen hilft schweigen allerdings gar nichts. Sondern nur: zuhören, reden, aufklären. Wieder und wieder. Deshalb ist es so gefährlich, die jüngsten Wahlumfragen nur achselzuckend zur Kenntnis zu nehmen.

Also, liebe Leserin, lieber Leser: Regen Sie sich auf! Seien Sie nicht still, wenn die AfD frech versucht, den Diskurs in diesem Land zu bestimmen. Widersprechen Sie Menschen, die deren Parolen teilen. Egal ob am Arbeitsplatz, in der Familie, auf Facebook. Vergessen Sie nicht: Sie haben alle Argumente auf Ihrer Seite. Wer schweigt, überlässt den Rechtspopulisten die Deutungshoheit über das Leben in unserem Land – mit unabsehbaren Folgen für die Richtung, in die sich dieses entwickelt. Und das nicht nur im Osten.

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