Grenzen der Verbrecherjagd: Auch Ermittler müssen Grundrechte einhalten

17.7.2020, 14:40 Uhr
Im Kampf gegen Straftäter und Terroristen dürfen Behörden die Daten von Handy- und Internetnutzern abfragen. Die Hürden für den Zugriff sind Kritikern zu niedrig. 

© Uli Deck, dpa Im Kampf gegen Straftäter und Terroristen dürfen Behörden die Daten von Handy- und Internetnutzern abfragen. Die Hürden für den Zugriff sind Kritikern zu niedrig. 

Erneut war es nötig geworden, dass das Bundesverfassungsgericht eine allzu übergriffige Politik in ihre Schranken verwies. Nach Meinung der höchsten Richter entsprach es nicht mehr der grundrechtlich gebotenen Verhältnismäßigkeit, wie Polizei und Nachrichtendienste bisher Informationen abfragten.

Zu dem Urteil ist zweierlei festzustellen. Erstens: Das Verfassungsgericht bestreitet nicht grundsätzlich, dass im Zuge der Verbrechens- und Terrorismusbekämpfung solche sogenannten "festen" Bestandsdaten wie Name, Geburtsdatum und Telefonnummer abgefragt werden dürfen. Alles andere wäre auch höchst riskant. In einer Zeit, in der Attentäter das Internet zum internen Austausch und zur Vorbereitung von schwersten Straftaten nutzen, müssen die Sicherheitsbehörden einen Zugriff darauf haben. Die Aufdeckung mancher schon im Vorfeld gestoppten Anschlagspläne verdankt sich genau solchen Methoden.


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Zweitens: Solche Ermittlungen dürfen nicht ins Blaue hinein stattfinden, das heißt ohne konkret fassbare Verdachtsmomente. Denn der Eingriff in die bürgerlichen Freiheitsrechte ist erheblich. Wer zum Beispiel über die dynamische IP-Adresse ("Internetadresse") eines Menschen verfügt, der kann einen Einblick über all seine Aktivitäten im Netz erhalten. Das ist sinnvoll bei Verbrechern - und es ist fatal bei zufällig ins Visier der Sicherheitsbehörden geratenen Personen.


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Die Karlsruher Entscheidung ist kein vollständiger Bruch mit den bisher praktizierten Methoden der Verbrecherjagd. Es handelt sich lediglich um eine Neujustierung zwischen Polizei- und Bürgerrechten. Eine sensiblere Politik hätte es bei der Gesetzgebung zu vermeiden gewusst, dass es zu solchen Konflikten kommt. Das war offensichtlich nicht der Fall – und nun muss nachgearbeitet werden. Die Regierung hat ein gutes Jahr, das Telekommunikationsgesetz entsprechend zu korrigieren.

Einmal mehr kann man zufrieden sein mit dem Bundesverfassungsgericht. Es erweist sich mit seinen Beschlüssen als ein wertvolles Korrektiv des staatlichen Handelns. Alleine schon, dass man im Vorfeld nie so genau einschätzen kann, wie die Urteile ausfallen – pro oder contra Regierungspolitik – beweist die Unabhängigkeit der 16 Richterinnen und Richter. Die deutsche Konstruktion der fünf Verfassungsorgane (Präsident, Regierung, Parlament, Bundesrat und Verfassungsgericht) kann sich im internationalen Vergleich sehen lassen.

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