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Hoffen und impfen: Es herrscht seltene Einigkeit im Landtag

1.9.2021, 16:17 Uhr
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder gibt im Landtag eine Regierungserklärkung ab.

© Sven Hoppe, dpa Bayerns Ministerpräsident Markus Söder gibt im Landtag eine Regierungserklärkung ab.

So viel Einigkeit war selten im bayerischen Landtag: Auf Nebenkriegsschauplätzen wurde am Mittwoch zur Regierungserklärung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zwar einiges Pulver verschossen, aber in der Hauptsache war man sich einig: Die Abschaffung der Corona-Inzidenzwerte als Maß für alle Maßnahmen und die Lockerungen in allen Bereichen wurden begrüßt. Man feierte sogar ein wenig den kleinen bayerischen "Freedom Day".

Obwohl sich das Land mitten in der vierten Pandemie-Welle befindet, forderte niemand eine Fortführung der bisherigen Infektionsschutzmaßnahmen. Diese parteiübergreifende Zuversicht ist durchaus bemerkenswert. Möglicherweise entfaltet die bevorstehende Bundestagswahl gewisse Wirkungen.

An die ab Donnerstag geltenden Regeln wird sich mancher erst gewöhnen müssen: Während die Sieben-Tage-Inzidenz munter steigt, wird überall geöffnet, gelockert und liberalisiert. Als letzte sollen im Oktober sogar Diskotheken und Clubs wieder ihre Tore öffnen dürfen. Das alles beruht auf der Annahme, dass die jüngeren Jahrgänge, die derzeit nur zum geringen Maße über eine Immunisierung verfügen, weniger stark an Covid-19 erkranken. Aber was ist mit Long-Covid? Und über neue, gefährlichere Varianten mag derzeit auch niemand laut nachdenken, weil es die Stimmung versauen könnte.

Die Politik vertraut darauf, dass die Impfquote in den jüngeren Altersgruppen von zwölf bis 34 Jahren, die 7-Tage-Inzidenzen von bis zu 184 aufweisen, erheblich zunehmen wird. So sind jetzt Impfstoffe auch für Kinder ab zwölf Jahren zugelassen. Allein schon die Aussicht, nur mit relativ teuren PCR-Tests ab Oktober eine Disko oder einen Club betreten zu dürfen, dürfte viele zum Impfen bewegen.


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Nein, eine allgemeine Impfpflicht wird es in Deutschland nicht geben, einen zunehmenden Druck auf Impfunwillige aber schon. Noch ist schwer abschätzbar, in welchem Umfang private Veranstalter von der Möglichkeit, den Zutritt auf Genesene und Geimpfte zu beschränken ("2G") Gebrauch machen, weil sie dann weniger Hygieneauflagen einhalten müssen.

Wer weiß, vielleicht lässt sich auch noch Bayerns Regierungsvize Hubert Aiwanger (Freie Wähler), der jetzt noch das Fähnchen der Impfskeptiker hoch hält, nach der Bundestagswahl einen Pieks verpassen, bevor er sich vor jeder Kabinettssitzung einen negativen Corona-Test besorgen muss? Da könnte schon noch einiges gehen.

Auch FDP-Fraktionschef Martin Hagen ergriff im Landtag das Wort.

Auch FDP-Fraktionschef Martin Hagen ergriff im Landtag das Wort. © Sven Hoppe, dpa

Erst einmal wollen alle Parteien im Freistaat glauben, dass der "Paradigmenwechsel" und die "neue Freiheit" nicht nach hinten losgehen und die neu eingeführte Corona-Ampel nicht doch noch in der besonders kritischen Winterzeit auf "Rot" schaltet, weil zu viel Menschen wegen Covid-19 wieder intensiv behandelt werden müssen. Was dann passiert, weiß noch keiner so genau. In der ab heute geltenden Verordnung ist nur von "geeigneten Schutzmaßnahmen" für dieses Szenario die Rede. Ministerpräsident Söder hat einen neuen Lockdown ausgeschlossen - ähnlich wie vor nicht allzu langer Zeit auch eine Kanzlerkandidatur.

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