Nur dürre Worte

Illegale Veröffentlichung von Wahlumfragen: Aiwanger entschuldigt sich - ein bisschen

29.9.2021, 17:18 Uhr
Für Hubert Aiwanger sind es unangenehme Minuten. Die Opposition zerlegt seine Entschuldigung. Und die CSU hilft ihm nicht.

© Matthias Balk, dpa Für Hubert Aiwanger sind es unangenehme Minuten. Die Opposition zerlegt seine Entschuldigung. Und die CSU hilft ihm nicht.

Fünf Minuten sind für einen Politiker als Redezeit knapp bemessen. Einer wie Hubert Aiwanger kann aus dem Stegreif auch mal eine halbe Stunde bestreiten. Doch ausgerechnet als es um seine Zukunft geht, wird er wortkarg wie selten.

Und so lässt Aiwanger sehr viel Redezeit ungenutzt, packt er seine Entschuldigung in 45 Sekunden und wenige dürre Worte. Dabei hat er die Lacher schon mit dem ersten Satz auf seiner Seite. "Es ist dringend nötig", hat er sein Statement eingeläutet, "dass wieder politische Sacharbeit geleistet werden kann." Die Opposition im Landtag findet das urkomisch. Sacharbeit und Aiwanger, das geht für sie offensichtlich nicht zusammen. Dem Chef der Freien Wähler dürfte freilich schon vorher klar gewesen sein, was ihn erwartet. Und er wird nicht enttäuscht.

Sechs Sätze

Vor allem SPD-Fraktionschef Florian von Brunn arbeitet sich an Aiwangers sechs Sätzen ab, mit denen er sich zweimal für seinen Tweet entschuldigt und ansonsten alle Informationen verweigert, weil der Bundeswahlleiter noch prüfe, ob er ein Bußgeld gegen Aiwanger verhängen soll. Am Sonntag hatte Aiwanger nachmittags in einem Tweet die Vorabumfragen veröffentlicht und mit einem Wahlaufruf für seine Partei verknüpft. Das eine ist illegal, das andere ein Verstoß gegen den politischen Anstand. Nach wenigen Minuten allerdings war der Tweet wieder verschwunden.

In den folgenden Tagen hatte Aiwanger erst alles weggewischt und dann erklärt, die Zahlen seien keine so genannten Exit Polls gewesen, keine Nachwahlumfragen also, die Meinungsforschungsinstitute vor den Wahllokalen erheben und in ihre Prognosen umrechnen. Was sie allerdings dann gewesen sein sollen und ob er sie am Ende einfach erfunden hat, das sagt er nicht.

"Windelweich"

"Reinen Wein" hätte sich Florian von Brunn gewünscht, und nicht so "eine windelweiche Entschuldigung". Von Brunn streut Adjektive und Schmähungen in Serie ein, spricht von "schäbig" und "unsäglich", von "Rumgeeiere" und "Schwurbelei". Das Land zu führen, sagt von Brunn, sei "eine große Aufgabe, der Sie nicht gewachsen sind". Von Brunn und seine SPD-Fraktion fordern Aiwangers Rücktritt. Der allerdings bleibt, wenig überraschend, aus.

Die Grünen gehen etwas sanfter mit Aiwanger ins Gericht. "Natürlich akzeptieren wir die Entschuldigung", sagt Thomas Gehring für seine Fraktion, "aber es war die dürrste Entschuldigung, die wir uns vorstellen können." Es sei "ganz untypisch für Aiwanger, dass er so wortkarg ist". Und es gehe längst nicht nur um den Tweet vom Sonntag, sondern um "eine ganze Reihe von sprachlichen Grenzverletzungen in den vergangenen Monaten, für die er sich nie entschuldigt" habe.

"Provinzpolitiker"

Aiwanger, sagt Gehring, sei im Rest der Republik "ein relativ unbekannter Provinzpolitiker einer Kleinstpartei. In Bayern aber ist er der stellvertretende Ministerpräsident." Und als dem fehle es "ihm an den grundlegenden Regeln des politischen Anstands".

Aiwanger folgt den Reden erkennbar angespannt, auch wenn die Maske sein Mienenspiel ganz gut verdeckt. Ob er wirklich sich von sich aus entschuldigt hätte, ist offen. Am Morgen jedenfalls hatte er sich mit Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ausgesprochen. Der mochte die Vorgänge danach nur damit kommentieren, dass er eine öffentliche Entschuldigung Aiwangers erwarte.

Nur die Freien reden

Aiwanger dürfte nicht entgangen sein, dass im Landtag nur seine Freien Wähler für ihn in die Bresche springen in Person ihres parlamentarischen Geschäftsführers Fabian Mehring. Der bemüht sich nach Kräften, wirft vor allem SPD-Fraktionschef von Brunn vor, er geriere sich mit seinen ständigen Rücktrittsforderungen als "Scharfrichter" und missbrauche den Landtag als "Inquisitionsbehörde". Doch das Schweigen der CSU kann er damit nicht übertünchen.

https://www.nordbayern.de/politik/csu-emport-aiwanger-twitterte-geheime-wahlprognosen-1.11386565

Deren Abgeordnete klatschen nicht, manche verschränken demonstrativ die Arme. Viele denken, was Michaela Kaniber offen ausspricht. Die CSU-Landwirtschaftsministerin und Aiwanger werden nie mehr freunde, dafür wildert der Wirtschaftsminister viel zu oft in ihrem Revier. Kaniber nimmt Aiwanger seine Entschuldigung nicht ab. Die sei zwar "schön. Aber morgen macht er es genauso wieder." "Der ändert sich doch nicht", sagt Kaniber und fügt an: "Maximal unseriös" sei sein Verhalten "und eines stellvertretenden Ministerpräsidenten nicht würdig".

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