Tausende gingen wegen Corona auf die Straße

Impfen wird instrumentalisiert

19.12.2021, 16:46 Uhr
Mehrere Tausend Menschen haben am Sonntag in Nürnberg gegen einen möglichen Impfzwang demonstriert.

© -, dpa Mehrere Tausend Menschen haben am Sonntag in Nürnberg gegen einen möglichen Impfzwang demonstriert.

Es kann jeder, der will und sich an Regeln hält, mit seiner Botschaft auf öffentlichen Straßen und Plätzen demonstrieren. Das ist das Gute an den Demonstrationen vom Sonntag in Nürnberg und in anderen Städten. Sowohl die Impfgegner als auch die AfD-Unterstützer konnten sich zeigen. Die Demokratie hat hier keinen Nachholbedarf. Der Rechtsstaat garantiert Meinungsfreiheit. Dass beide Gruppen Gegendemonstrationen aushalten müssen, ist natürlich selbstverständlich.

Hohes Protestpotential

Die AfD, die zu Beginn der Pandemie in Bayern für restriktive Maßnahmen, wie andere Parteien auch, eingetreten ist, schwenkte im vergangenen Jahr sehr schnell wieder um, als die Verantwortlichen gesehen haben, welches Protestpotential die Impfverweigerer bieten. Unter dem Dach von Sprüchen wie „Impfen ist Teufelszeug“ und "Zwangsimpfungsdiktatur" fand man dann schnell zusammen, um gegen die Regierungsparteien in Berlin mobil zu machen. Verbal und auf der Straße. Aufgrund dieser taktischen Zielsetzung dürfte es keine Rolle spielen, ob Angela Merkel Kanzlerin war oder Olaf Scholz Kanzler ist.

Die Impfgegner versammelten sich zunächst auf dem Volksfestplatz bevor sie durch die Nürnberger Südstadt zogen.

Die Impfgegner versammelten sich zunächst auf dem Volksfestplatz bevor sie durch die Nürnberger Südstadt zogen. © -, dpa

Der Vorwurf an die Mehrheitsgesellschaft, ausgegrenzt zu werden, schweißt zusammen, auch wenn man selber entschieden hat, auf die Distanz zu gehen. Allerdings hilft der AfD natürlich auch der dilettantische Umgang mit ihr, wie zuletzt bei der Besetzung des Vorsitzenden vom Innenausschuss des Bundestags, als die Grünen zugunsten der Karriere von Anton Hofreiter darauf verzichtet haben.

Werte kommen ins Rutschen

Doch das Gemisch an Protesten wird zunehmend toxisch. Wer mit „Friede, Freiheit, keine Diktatur“ durch die Straßen zieht, hat sich von der bundesdeutschen Demokratie schon deutlich entfremdet. Wenn durch Wahlen legitimierte Parteien, die eine Pandemie bekämpfen und harte Entscheidungen treffen müssen, mit Diktaturen gleichgesetzt werden, dann sind Werte ins Rutschen gekommen.

Die Proteste gegen das Impfen und den Impfzwang werden außerdem von einigen Rechtsradikalen, die auf Krawall gebürstet sind, und die mit latenter, teils auch offener Gewalt andere einschüchtern wollen, immer wieder instrumentalisiert. Das hat dann mit der Pandemie nichts zu tun, sondern mit dem Wunsch nach einer anderen, rechtsextremen Republik. Lautstark wird nach Freiheit und Selbstbestimmung gerufen, gemeint ist aber die Destabilisierung unserer Demokratie.

Keine Instrumentalisierung

Es ist deshalb gut, wenn Gegendemonstranten Zeichen setzen oder eine Menschenkette in der Straße der Menschenrechte für Demokratie und Mitmenschlichkeit wirbt. Gegen die Spaltung der Gesellschaft mit Hilfe von Corona sind Informationen und wissenschaftliche Aufklärung nötig: Mehr als 100000 Corona-Tote in Deutschland, allein 1000 davon in Nürnberg, sind genug. Angesichts der vierten Welle und der schon in Aussicht gestellten fünften Welle, sollte der gemeinsame Kampf gegen Corona im Vordergrund stehen, und nicht die politische Instrumentalisierung dieser Krankheit.

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