Jamaika: Die Koalition der Zufriedenen?

18.10.2017, 11:25 Uhr
Eine Jamaika-Flagge weht vor dem Reichstag: Heute beginnen die Sondierungsgespräche.

© Peter Endig (dpa) Eine Jamaika-Flagge weht vor dem Reichstag: Heute beginnen die Sondierungsgespräche.

Politik geht manchmal quälend langsam: Dreieinhalb Wochen nach der Bundestagswahl nehmen die drei möglichen Partner heute Gespräche über die Frage auf, ob sie ernsthafte Gespräche aufnehmen sollen. Bis eine Jamaika-Koalition steht, dürfte es Weihnachten sein.

Natürlich gibt es Gründe für diese Langsamkeit. Da sind einmal die Rituale, die sich traditionell vor Sondierungsgesprächen abspielen: Jede Partei erklärt erst einmal, dass sie ja eigentlich gar nicht mit der anderen kann, weil deren Positionen völlig untragbar seien... Mit diesen Wortmeldungen soll den eigenen Anhängern signalisiert werden, dass man die programmatische Seele keinesfalls für ein Stückchen Macht verkaufen würde. Zum anderen sind im Fall der Jamaika-Verhandlungen die politischen Unterschiede tatsächlich enorm.

Es zeichnet sich aber bereits jetzt ab, wie diese Differenzen überwunden werden könnten. Zum einen mit einer strikten Arbeitsteilung in einer neuen Koalition: Die FDP kümmert sich beispielsweise um die Wirtschaft, die Grünen um die Umwelt und die Union um die innere Sicherheit - damit könnten alle Partner wohl gut leben. Es ist deshalb ja kein Zufall, dass der CSU-Mann Joachim Herrmann als Bundesinnenminister im Gespräch ist - und nicht etwa die Grüne Claudia Roth.

Zum anderen - und das ist viel problematischer - mit einem Koalitionsvertrag, der wohl jedem der Partner ein Wunschprojekt zubilligt (zum Beispiel der CSU die Ausweitung der Mütterrente), ansonsten aber auf den kleinsten gemeinsamen Nenner beschränkt bleiben wird. Das lässt aber gerade für die Sozialpolitik nichts Gutes erahnen.

Riesige Differenzen

Ein Beispiel? Die Grünen forderten in ihrem Wahlprogramm eine Erhöhung des Hartz-IV-Satzes, die Abschaffung aller Jobcenter-Sanktionen und eine Vermögenssteuer. FDP und Union halten von solchen Plänen: nichts.

Dass angesichts solch riesiger Differenzen aus Koalitionsverhandlungen ein Kompromiss hervorgeht, der ernsthaft die sozialpolitischen Brennpunktthemen angeht - von der Wohnungsnot in Städten bis zum Auseinanderdriften der Lebenswelten von Arm und Reich -, ist nicht zu erwarten. Das ist eine schlechte Nachricht für all die Menschen, die am unteren Rand der Gesellschaft stehen, Menschen, die sich ohnehin von der Politik nicht mehr vertreten fühlen - und die sich im schlimmsten Fall von Demokratiefeinden einfangen lassen.

Ein mögliches Jamaika-Bündnis wurde schon als "Koalition der Zufriedenen" bezeichnet. Eine "Koalition der Zufriedenen" ist aber nicht, was Deutschland jetzt braucht.

 

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