Kommentar: Das steckt hinter Merz' Attacke auf Merkel

29.10.2019, 12:34 Uhr
Friedrich Merz attackiert offen Angela Merkel.

© Kay Nietfeld, dpa Friedrich Merz attackiert offen Angela Merkel.

Die Kritik an Merkels Führungsstil ist dabei keineswegs neu oder originell. Die Kanzlerin hat zumindest innenpolitisch noch nie straff geführt. Stets hat sie politische Debatten lange laufen lassen, ehe sie sich einmischte. Nie hat sie eine Vision erkennen lassen oder einen Plan vorgegeben. Sie gibt dem Publikum weder eine Vorstellung davon, wie die soziale Spaltung in unserem Land angegangen werden sollte, noch hat sie in der so hitzigen Klimadebatte Position bezogen. Das war immer ihr Stil.

Diese Führungslosigkeit war es auch, die sie nach dem "Wir schaffen das" in der Flüchtlingsfrage zeigte. Sie gab dem Wahlvolk nie eine Ahnung davon, wie denn diese große Herausforderung bewältigt werden könnte. Merz' Beobachtung, diese "Untätigkeit und die mangelnde Führung" habe sich seit Jahren wie ein Nebelteppich über das Land gelegt, ist demnach nicht neu. Aber sie ist zutreffend.

Merz war noch nie ein Freund Merkels – und umgekehrt. Dass er jetzt aber so vorprescht, kann nur eins bedeuten: Er sieht den Zeitpunkt gekommen, die Kanzlerin vorzeitig zum Abschied zu drängen und sich selbst als Gegenmodell anzubieten. Sein Konkurrentin Annegret Kramp-Karrenbauer, der er beim Wettkampf um die Parteiführung knapp unterlegen war, ist derzeit mächtig angeschlagen. Der Zeitpunkt ist günstig.

Offenkundig haben sich im Hintergrund bereits einige Bataillone formiert. Die Junge Union fordert just jetzt einen Mitgliederentscheid über die Kanzlerkandidatur. Auch hier ist unverkennbar, dass die Stoßrichtung gegen AKK und die Kanzlerin geht. Auch in der konservativen WerteUnion rumort es.

Die SPD ist nicht allein

Es ist nicht nur die SPD, die an sich selbst verzweifelt. Es ist auch die Union. Die CSU, die in dieser Runde noch in der besten Verfassung ist, hadert erkennbar mit dem forschen Führungsstil von Markus Söder, der die demografischen Daten und die Wahlanalysen ansieht und die Partei nun schneller grün, weiblicher und digitaler machen will, als viele der Altvorderen das mitmachen wollen. Die CDU weiß auch nicht recht, ob sie sich nun – Beispiel Thüringen – pragmatisch verhalten soll oder ideologisch.

Ob Merz in dieser Situation die richtige Führungskraft ist, die CDU als Volkspartei zusammenzuhalten, das ist einigermaßen zweifelhaft. Diese Frage zu beantworten, ist nicht viel einfacher, als die Führungsfrage bei dem verzweifelten Sozialdemokraten zu klären.

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