Kommentar: Endlich ein vernünftiger Organspende-Plan

6.5.2019, 11:46 Uhr
Derzeit hat jeder dritte Deutsche einen Organspende-Ausweis.

© Frank May (dpa) Derzeit hat jeder dritte Deutsche einen Organspende-Ausweis.

Wer schweigt, stimmt zu: Dieser Satz lässt Juristen die Haare zu Berge stehen, Gesundheitsminister Jens Spahn hat ihn trotzdem zur Grundlage seines Gesetzentwurfs zur Organspende gemacht. Der CDU-Politiker will, dass die Bürger künftig automatisch Organspender sind. Außer sie widersprechen der Entnahme ihrer Organe explizit. Der Staat unterstellt ihnen also erst einmal Spendenwilligkeit.

Das hat - mit Recht - einigen Widerspruch ausgelöst. Über den eigenen Körper entscheiden zu können, frei und ohne staatliche (Vor-)Entscheidung, ist schließlich die Minimaldefinition von Freiheit. Spahns Vorstoß jedoch mache den menschlichen Körper zu einem "Objekt staatlicher Sozialpflichtigkeit", formulierte es der Erlanger Professor Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrats.

Wen diese Überlegungen angesichts des Umstandes, dass viel zu viele Menschen an fehlenden Spenderorganen sterben, noch immer nicht überzeugt, sollte sich an die Stiftung Patientenschutz halten. Denn selbst die Interessenvertretung von Patienten hadert mit Spahns Vorstoß. "Es wird gehofft, dass der Bürger sich mit der Organspende nicht beschäftigt und schweigt“, sagt Vorstand Eugen Brysch dazu. "Schweigen heißt aber nicht Zustimmung." So werde das Misstrauen in der Bevölkerung eher verstärkt.

Eine Abgeordnetengruppe um die Grünen-Chefin Annalena Baerbock und die Linke-Vorsitzende Katja Kipping präsentiert nun einen Gegenentwurf zu Jens Spahns Plänen - er sieht regelmäßige Befragungen der Bürger vor, statt per Gesetz eine Vorentscheidung über ihren vermeintlichen Willen zu treffen. Damit setzen die Abgeordneten auf mündige Bürger. Jens Spahn hält die Deutschen im Gegensatz dazu offensichtlich nicht für fähig, sich mit der Frage der Organspende zu beschäftigen - dabei hat bereits jetzt jeder Dritte einen Organspende-Ausweis.

Am eigentlichen Problem vorbei?

Ohnehin geht die Debatte aber am eigentlichen Problem vorbei: Denn nicht die Ignoranz der Bürger ist nach Angaben der Stiftung Patientenschutz schuld daran, dass so viele Menschen vergeblich auf Spenderorgane warten. Es ist vielmehr die Intransparenz des bestehenden Transplantationssystems - und die Tatsache, dass kaum kostendeckende Aufwandsentschädigungen dazu führen, dass sich Kliniken gar nicht erst um in Frage kommende Spender bemühen oder diese an das Vergabesystem melden. Hier wäre der viel wichtigere Ansatzpunkt für die Politik.

 

 

 

 

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