Kommentar: Söders Pokern bei der Kanzler-Kandidatur ist Taktik

15.7.2020, 11:27 Uhr
Noch hält sich Ministerpräsident Markus Söder bedeckt, wenn es um die K-Frage geht. Reine Taktik, kommentiert Roland Englisch.

© Minkoff via www.imago-images.de, imago images/Sammy Minkoff Noch hält sich Ministerpräsident Markus Söder bedeckt, wenn es um die K-Frage geht. Reine Taktik, kommentiert Roland Englisch.

Er lebt im Stimmungshoch, über Bayern hinaus schätzen die Menschen plötzlich seine Tatkraft. Dass ihn im Moment viele für einen geeigneten Kanzlerkandidaten halten, zeigt ihm, dass sein Kurs richtig ist und ankommt.


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Ob er die Kanzlerkandidatur auch anstrebt, steht auf einem anderen Blatt. Und erst recht, ob die CDU sie ihm überhaupt überlassen würde. Söder versichert regelmäßig und überzeugend, sein Platz sei in Bayern, er wolle kein anderes Amt. Er weiß freilich auch, wie er sich taktisch aufstellen muss. In knapp einem halben Jahr wird die CDU mit ihm als CSU-Chef über die Kanzlerkandidatur verhandeln. Solange Söder sich im Spiel hält, und sei es indirekt, verfügt er über jene Verhandlungsmasse, die er für diese Gespräche brauchen wird. Söder kann sich für den Verzicht auf eine denkbare Kandidatur und die Unterstützung für den CDU-Vorsitzenden als Kandidaten weitreichende Zusagen geben lassen.

Corona-Welle und die Wirtschaft: Unkalkulierbare Zukunft

Ein halbes Jahr ist in politischen Denklinien eine Ewigkeit. Niemand weiß, was bis dahin geschehen wird, ob eine zweite Corona-Welle das Land in die Knie zwingt, und welche wirtschaftlichen Folgen die erste Welle haben wird. Bricht die Wirtschaft tatsächlich so massiv ein, wie Pessimisten erwarten, könnte es mit dem Höhenflug der für den Lockdown Verantwortlichen schnell vorbei sein. Schon deshalb wird Söder derzeit nicht ernsthaft über eine Kanzlerkandidatur nachdenken, sondern dies allenfalls im Herbst tun. Er weiß um die Vergänglichkeit von Umfragewerten.

Zumal sich auch ihm die Frage stellt, warum die CDU ihm die Kandidatur antragen sollte. Solange die Partei ernsthaft eine Chance auf das Kanzleramt sieht, wird sie die ergreifen. Angesichts des Zuspruchs, den die CDU erfährt, stellt sich für sie nicht die Frage, ob sie Söder antreten lässt, sondern nur, wen sie aus den eigenen Reihen nimmt.

Söder weiß um seine Chancen

Weder Merz noch Laschet werden Söder das Amt freiwillig überlassen. Doch Söder bräuchte beide auf seiner Seite, wollte er die Wahl gewinnen, denn sie stehen für den mitgliederstärksten CDU-Landesverband, für Nordrhein-Westfalen. Wer das nicht hinter sich hat, der gewinnt nicht.

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In ihrer Geschichte hat die CDU der Schwester erst zweimal die Kanzlerkandidatur überlassen. 1980 scheiterte Franz Josef Strauß, 2002 dann Edmund Stoiber. Beide mussten aus der Opposition heraus antreten; beide Male war die CDU sicher, dass die Wahl verloren gehen werde.

Diesmal ist die Lage fundamental anders. Die CDU regiert in Berlin; sie liegt in den Umfragen weit vorne; und vorerst stellt sich für sie nur die Frage, wer im Herbst 2021 ihr Juniorpartner werden könnte. Das aber ist keine Gemengelage, in der die CDU einem Bayern den Vortritt lassen und die Macht aus der Hand geben würde. Auch das ist Söder bewusst. Er kennt die Fakten und die Historie. Er weiß um seine Chancen.

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