Merkels Kritik zum Trotz: Länderchefs verteidigen Corona-Kurs

29.3.2021, 14:30 Uhr
Der Schriftzug ·"Trotz Corona - Wir sind für Sie da·" ist im Schaufenster eines Geschäfts in der Hamburger Innenstadt zu sehen. Viele Bundesländern handhaben den beschlossenen Lockdown unterschiedlich, daran entzündet sich Streit.

© Daniel Reinhardt, dpa Der Schriftzug ·"Trotz Corona - Wir sind für Sie da·" ist im Schaufenster eines Geschäfts in der Hamburger Innenstadt zu sehen. Viele Bundesländern handhaben den beschlossenen Lockdown unterschiedlich, daran entzündet sich Streit.

Nach der deutlichen Kritik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Vorgehen verschiedener Länder im Corona-Lockdown haben mehrere Ministerpräsidenten ihre Linie verteidigt. Unter anderem Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Niedersachsen und das Saarland sahen zunächst keinen Grund für schnelle Anpassungen. CDU-Parteichef und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet bekannte sich bei einer Präsidiumssitzung seiner Partei klar zu mehr Tests als Instrument in der Krise und betonte, dass es in Nordrhein-Westfalen bereits eine landesweite "Notbremse" gebe.


"Flächendeckende Tests": Nordrhein-Westfalen plant Ausstieg aus dem Lockdown


"Jeder will, dass die Infektionszahlen runtergehen, und jeder hat für sein Land entsprechende Maßnahmen gemacht“, sagte Laschet nach einer Sitzung des CDU-Präsidiums. Er räumte ein, dass diese Maßnahmen "sehr unterschiedlich“ seien. Ausdrücklich verteidigte der CDU-Chef auch das unter anderem in Berlin geplante Konzept, Einkaufsmöglichkeiten mit Terminvergabe und Vorlage eines negativen Coronatests zu schaffen. Das sei eine Möglichkeit unter vielen, mehr infizierte Menschen zu entdecken und Infektionsketten zu durchbrechen.

Kanzlerin will harte Notbremse

Merkel hatte am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Anne Will" massiven Druck auf die Länder ausgeübt, um diese zum Umsetzen der Notbremse und schärferer Maßnahmen gegen die dritte Infektionswelle zu bewegen. Modellprojekten erteilte sie eine klare Absage und deutete an, notfalls könne der Bund tätig werden, wenn die Länder nicht handelten. "Wir müssen mit einer großen Ernsthaftigkeit jetzt die geeigneten Maßnahmen einsetzen. Und einige Bundesländer tun das, andere tun es noch nicht", sagte Merkel. Wenn "in sehr absehbarer Zeit" nichts passiere, müsse sie sich überlegen, wie sich das vielleicht auch bundeseinheitlich regeln lasse.

Ein Möglichkeit ist laut Merkel, "das Infektionsschutzgesetz noch mal anzupacken und ganz spezifisch zu sagen, was muss in welchem Fall geschehen". Auch Innenminister Horst Seehofer sprach sich dafür aus, dass der Bund stärker das Ruder übernimmt. Dafür könne entweder das Infektionsschutzgesetz präzisiert oder ein eigenes Gesetz beschlossen werden, sagte der CSU-Politiker der Süddeutschen Zeitung.

Eine Gesetzesänderung müssten allerdings Bundestag und Bundesrat beschließen. Bislang ist die nächste Sitzung des Bundestags für Mitte April geplant. In der gleichen Woche wollen die Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen erneut mit Merkel über die Pandemie beraten. Derzeit gebe es keine Pläne, diese Beratungen vorzuziehen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Stattdessen sei jetzt nötig, dass die Länder das Versprochene auch umsetzten.

Bund und Länder hatten vereinbart, dass bereits umgesetzte Lockerungen der Corona-Regeln wieder zurückgenommen werden müssen, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz in einem Land oder einer Region drei Tage lang bei über 100 liegt. Das betrifft Öffnungen des Einzelhandels, von Museen, Zoos oder Sportanlagen. Die Länder hatten diese Regelung jedoch unterschiedlich konsequent umgesetzt.

Die rot-schwarz-grüne Landesregierung in Brandenburg sieht sich auf dem Kurs des Bund-Länder-Beschlusses. "Brandenburg setzt die 100er-Notbremse auf Kreisebene um", teilte Regierungssprecher Florian Engels mit. Hinzu kämen Ausgangsbeschränkungen von 22 Uhr bis 5 Uhr in der Osterzeit.

Testauflagen statt Beschränkungen

Der Ministerpräsident des Saarlands, Tobias Hans (CDU), verteidigte laut Teilnehmerangaben im CDU-Präsidium geplante Öffnungen. Im Saarland würden Testauflagen an die Stelle von Beschränkungen gesetzt. Damit bringe man die Menschen dazu, im Freien getestet zusammenzukommen, statt im Verborgenen ohne Tests und Maßnahmen.

Auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann verteidigte geplante Öffnungen in rund 25 Modellkommunen. "Ich befürchte, wir werden mit einem gewissen Infektionsgeschehen in Deutschland leben müssen. Deshalb sind solche Modellversuche, wie ich finde, nicht unvorsichtig oder gar leichtsinnig", sagte der CDU-Politiker. Niedersachsen will in den Modellkommunen Öffnungen von Geschäften, Außengastronomie, Theatern, Kinos und Fitnessstudios an Schnelltests koppeln. Voraussetzung ist eine stabile Sieben-Tages-Inzidenz von nicht über 200.

Andere Länder deuteten an, den härteren Kurs von Merkel mitgehen zu wollen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte, er könne sich mehr Kompetenzen in Bundeshand vorstellen, die die Länder zu klaren Regeln zwängen. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) forderte den Bund zum Handeln auf. "Man kann es im Infektionsschutzgesetz festlegen - ist mir auch recht - Hauptsache, es ist ein einheitlicher Rahmen", sagte er. Es gehe darum, endlich etwas zu tun statt zu reden.

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