Sachlich, angespannt und aufregend

Politiker aus der Region verraten: Das geschieht bei Koalitionsverhandlungen

3.10.2021, 17:06 Uhr
Die Bilder auf dem Balkon der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin sind legendär: In den Pausen tummelten sich 2017 dort die an den Sondierungsgesprächen und Koalitionsverhandlungen teilnehmenden Politiker.
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Die Bilder auf dem Balkon der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin sind legendär: In den Pausen tummelten sich 2017 dort die an den Sondierungsgesprächen und Koalitionsverhandlungen teilnehmenden Politiker. © Michael Kappeler/dpa, NNZ

Normalerweise geht "jede Partei mit roten Linien in die Gespräche und ist bis zu einem bestimmten Punkt offen", erzählt Marlene Mortler, ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete aus dem Nürnberger Land, die bereits dreimal an Verhandlungen teilgenommen hat - 2009, 2013 und 2017. Anders sei das vor vier Jahren gewesen, da habe sie alle sehr offen erlebt - ohne Denkverbote. Und: "Bei solchen Verhandlungen geht es auch mal laut zu", berichtet sie. "Aber das ist normal, da prallen Welten aufeinander. Hinter verschlossenen Türen kann man anders miteinander reden als in der Öffentlichkeit, aber es blieb immer sachlich." 
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Normalerweise geht "jede Partei mit roten Linien in die Gespräche und ist bis zu einem bestimmten Punkt offen", erzählt Marlene Mortler, ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete aus dem Nürnberger Land, die bereits dreimal an Verhandlungen teilgenommen hat - 2009, 2013 und 2017. Anders sei das vor vier Jahren gewesen, da habe sie alle sehr offen erlebt - ohne Denkverbote. Und: "Bei solchen Verhandlungen geht es auch mal laut zu", berichtet sie. "Aber das ist normal, da prallen Welten aufeinander. Hinter verschlossenen Türen kann man anders miteinander reden als in der Öffentlichkeit, aber es blieb immer sachlich."  © Ralf Hirschberger/dpa, NNZ

"Das war keine Bierzeltveranstaltung. Wir hatten einen klaren Auftrag, da war die Atmosphäre schon ernsthaft", sagt der ehemalige Nürnberger SPD-Bundestagsabgeordnete Günter Gloser. Das heiße aber nicht, dass es keine auflockernden Bemerkungen gab, "wir führten ja keine Friedensverhandlungen", erinnert sich Gloser (auf dem Bild links, daneben: Ex-SPD-Bundestagsabgeordneter Martin Burkert und der ehemalige SPD-Bundesminister Horst Schmidbauer), der 2005 einmal an Koalitionsverhandlungen teilgenommen hat. 
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"Das war keine Bierzeltveranstaltung. Wir hatten einen klaren Auftrag, da war die Atmosphäre schon ernsthaft", sagt der ehemalige Nürnberger SPD-Bundestagsabgeordnete Günter Gloser. Das heiße aber nicht, dass es keine auflockernden Bemerkungen gab, "wir führten ja keine Friedensverhandlungen", erinnert sich Gloser (auf dem Bild links, daneben: Ex-SPD-Bundestagsabgeordneter Martin Burkert und der ehemalige SPD-Bundesminister Horst Schmidbauer), der 2005 einmal an Koalitionsverhandlungen teilgenommen hat.  © Roland Fengler, NNZ

2005 wurde die erste Große Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel verhandelt.  "Bei uns hatten wir mehr politische Disziplin", findet Gloser mit Blick auf die Gespräche vor vier Jahren und kritisiert die "Shows 2017" auf dem Balkon der Parlamentarischen Gesellschaft. Zudem sei viel zu viel durchgesickert.
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2005 wurde die erste Große Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel verhandelt.  "Bei uns hatten wir mehr politische Disziplin", findet Gloser mit Blick auf die Gespräche vor vier Jahren und kritisiert die "Shows 2017" auf dem Balkon der Parlamentarischen Gesellschaft. Zudem sei viel zu viel durchgesickert. © Tim Brakemeier, NNZ

Dass zu viele Informationen 2017 öffentlich wurden, kritisiert auch der ehemalige Bundesminister Christian Schmidt (CSU) aus Fürth.  "Ich wünsche mir hier Regeln wie bei der Papstwahl: Alle Leute sind in einer Halle mit Rückzugsmöglichkeiten untergebracht, die Handys werden abgenommen und dann kann gearbeitet werden", sagt er.
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Dass zu viele Informationen 2017 öffentlich wurden, kritisiert auch der ehemalige Bundesminister Christian Schmidt (CSU) aus Fürth.  "Ich wünsche mir hier Regeln wie bei der Papstwahl: Alle Leute sind in einer Halle mit Rückzugsmöglichkeiten untergebracht, die Handys werden abgenommen und dann kann gearbeitet werden", sagt er. © Wolfgang Borrs/dpa, NNZ

Schmidt war bereits viermal bei Verhandlungen dabei, 2013 und 2017 leitete er sogar kleinere Gruppen. Er vergleicht die Zeit mit Campingurlaub. "Man wartet auf unbequemen Stühlen, hat nichts Richtiges zu essen und man kann nicht vom Platz weg, weil man nie weiß, wann es weitergeht", so Schmidt, der die Gespräche auch als rational und im Tonfall verbindlich, wenn auch angespannt wahrgenommen hat - und dass eben auch einmal eine Tür knallt oder Politiker explodieren, weil die Nerven blank liegen. So mancher SPD-Politiker habe sich beim Warten auch als guter Witze-Erzähler hervorgetan, erinnert sich Schmidt, der Koalitionsverhandlungen als körperliche und geistige Ausnahmesituation beschreibt.
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Schmidt war bereits viermal bei Verhandlungen dabei, 2013 und 2017 leitete er sogar kleinere Gruppen. Er vergleicht die Zeit mit Campingurlaub. "Man wartet auf unbequemen Stühlen, hat nichts Richtiges zu essen und man kann nicht vom Platz weg, weil man nie weiß, wann es weitergeht", so Schmidt, der die Gespräche auch als rational und im Tonfall verbindlich, wenn auch angespannt wahrgenommen hat - und dass eben auch einmal eine Tür knallt oder Politiker explodieren, weil die Nerven blank liegen. So mancher SPD-Politiker habe sich beim Warten auch als guter Witze-Erzähler hervorgetan, erinnert sich Schmidt, der Koalitionsverhandlungen als körperliche und geistige Ausnahmesituation beschreibt. © Kay Nietfeld, NNZ

Mortler und Schmidt ärgern sich immer noch, dass Christian Lindner (FDP) in letzter Sekunde die Jamaika-Koalition abgesagt hatte. "Wir haben nächtelang gearbeitet, mussten auf gutes Essen verzichten und dann das", erzählt Mortler.  Schmidt sagt: "Die Stimmung war gereizt, es gab kein Essen mehr, deshalb habe ich an der Tankstelle Chips und Flips besorgt." Alles sei im Prinzip beschlossen gewesen, "als Christian Lindner sich entschied, doch nicht mehr mitzumachen. Wir saßen mit unseren Chips im Stuhlkreis und staunten bloß", erzählt er. Auf dem Bild sind von links nach rechts zu sehen: Alexander Dobrindt (CSU), Christian Lindner (FDP), Jens Spahn (CDU) und Armin Laschet (CDU).
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Mortler und Schmidt ärgern sich immer noch, dass Christian Lindner (FDP) in letzter Sekunde die Jamaika-Koalition abgesagt hatte. "Wir haben nächtelang gearbeitet, mussten auf gutes Essen verzichten und dann das", erzählt Mortler.  Schmidt sagt: "Die Stimmung war gereizt, es gab kein Essen mehr, deshalb habe ich an der Tankstelle Chips und Flips besorgt." Alles sei im Prinzip beschlossen gewesen, "als Christian Lindner sich entschied, doch nicht mehr mitzumachen. Wir saßen mit unseren Chips im Stuhlkreis und staunten bloß", erzählt er. Auf dem Bild sind von links nach rechts zu sehen: Alexander Dobrindt (CSU), Christian Lindner (FDP), Jens Spahn (CDU) und Armin Laschet (CDU). © Bernd Von Jutrczenka/dpa, NNZ

Dass es bei den Gesprächen nicht nur um Inhalte, sondern auch um Posten geht, kann CSU-Politiker Schmidt, der jüngst zum Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft für Bosnien und Herzegowina bestellt wurde, nicht bestätigen. "Manche spekulieren gewiss darauf, aber wenn sich da einer profilieren will, kommt das nicht gut an", erzählt er. Von seinem ersten Posten als Staatssekretär im Verteidigungsministerium habe er letztlich von einem befreundeten ausländischen Botschafter erfahren. Auf dem Bild spricht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Christian Lindner (FDP), im Hintergrund: Katrin Göring-Eckardt (Grüne).
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Dass es bei den Gesprächen nicht nur um Inhalte, sondern auch um Posten geht, kann CSU-Politiker Schmidt, der jüngst zum Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft für Bosnien und Herzegowina bestellt wurde, nicht bestätigen. "Manche spekulieren gewiss darauf, aber wenn sich da einer profilieren will, kommt das nicht gut an", erzählt er. Von seinem ersten Posten als Staatssekretär im Verteidigungsministerium habe er letztlich von einem befreundeten ausländischen Botschafter erfahren. Auf dem Bild spricht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Christian Lindner (FDP), im Hintergrund: Katrin Göring-Eckardt (Grüne). © Michael Kappeler/dpa, NNZ

Ob wir in diesem Jahr bis Weihnachten eine neue Regierung haben werden? Schmidt denk, dass die Ansprache nicht mehr von Angela Merkel halten wird.... Dieses aktuelle Bild war das erste gemeinsame Foto nach ersten Gesprächen zwischen Robert Habeck (li.), Annalena Baerbock (beide Bündnis 90/Die Grünen) und Christian Lindner (FDP).
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Ob wir in diesem Jahr bis Weihnachten eine neue Regierung haben werden? Schmidt denk, dass die Ansprache nicht mehr von Angela Merkel halten wird.... Dieses aktuelle Bild war das erste gemeinsame Foto nach ersten Gesprächen zwischen Robert Habeck (li.), Annalena Baerbock (beide Bündnis 90/Die Grünen) und Christian Lindner (FDP). © Michael Kappeler, NNZ

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