Söder trifft Kurz: Österreich bangt um seine Touristen

9.10.2020, 17:10 Uhr

Dass er die Lage mehr als erst nimmt, macht Markus Söder schnell klar. Neben ihm steht Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz und hört zu, wie der Bayer sagt, „noch“ werde er die Grenzen zum Nachbarland nicht schließen, auch wenn sie die Corona-Fallzahlen „dramatisch“ entwickelten. „Mir macht das große Sorgen“, sagt der CSU-Politiker, der mit Kurz „überlegen“ will, „wie wir so agieren, dass ein gutes Miteinander möglich bleibt.“

Und so steht wieder jene Maßnahme im Raum, die den Nachbarn bereits das halbe Jahr verhagelt hat. Für den Österreicher Kurz geht es deshalb um deutlich mehr als für den Bayern Söder. Die Herbstferien stehen im Freistaat vor der Tür, die Winterferien sind nicht mehr weit. Doch weil in Österreich die Infektionen mit dem Corona-Virus durch die Decke gehen, hat Deutschland faktisch alle Tourismusregionen Österreichs zu Risikogebieten erklärt.

Was das heißt für die Nachbarn, zeigt sich an diesem Tag schon auf der Autobahn. Obwohl in mehreren Bundesländern die Herbstferien beginnen, bleibt es ruhig auf den bayerischen Fernstraßen, weit ruhiger als sonst. Die üblichen Staus Richtung Österreich fehlen; Söder kommt so schnell durch zum Treffen mit Kurz an der Salzburger Autobahn bei Bad Reichenhall, dass seine Wagenkolonne es auf der Landstraße gemütlich angehen lassen kann. Mit 40 zuckelt seine Kolonne dahin, ein entschleunigter Söder, der Dutzende Wagen im Schlepptau ebenfalls entschleunigt.

Touristen als Wirtschaftsmotor

Kurz hat es eiliger. Und dringender. Er sagt, dass vor allem im Osten der Europäischen Union die Zahlen nach oben gingen, hinter Österreich also. Er warnt, die Grenzen müssten unbedingt offen bleiben, alles andere gefährde den europäischen Binnenmarkt, vor allem aber Österreichs Wirtschaft, die in der Grenzregion auch von den Pendlern lebt.
Das Land lebt weit mehr vom Tourismus als der bayerische Nachbar. Die Urlauber tragen so viel Geld in die Alpenrepublik, das sie 15 Prozent des Brutto-Inland-Produkts tragen. Nicht nur der österreichische Bundeskanzler fürchtet um das Geschäft in den Herbst-, vor allem aber in den Weihnachtsferien. Die Ferienregionen, sagt er beschwörend, hätten „sehr gute Konzepte für den Winter“ erarbeitet.

Das habe schon im Sommer funktioniert, das werde es jetzt wieder. Im Übrigen sei es ja so, dass die Zahlen vor allem in den Städten nach oben schnellten, auf dem Land dagegen weiter niedrig blieben.
Das freilich stimmt nur bedingt. Zwar trifft es im Moment vor allem Städte wie Wien oder Innsbruck, vergleichbar zur Lage in Deutschland. Doch das Virus breitet sich allmählich in den angrenzenden Regionen aus, auch wenn Österreich „hart daran arbeitet, die Zahlen zu reduzieren“, wie Kurz sagt. „Die Reisewarnungen sind natürlich ein sehr großes Problem“, fügt er an: „Was uns sehr helfen würde, wäre eine gute regionale Differenzierung“.

Mehr geht nicht

Natürlich weiß der österreichische Kanzler, dass dies kaum praktikabel ist. Auf der österreichischen Seite sind sie schon froh, dass die Bundesrepublik im Gegensatz zu anderen Staaten durchaus differenziert bis auf die Ebene der Bundesländer hinunter. Mehr, heißt es folgerichtig auf der bayerischen, gehe tatsächlich nicht mehr. Für die Wintersportler verheißt das wenig Gutes. Die Politiker beiderseits der Grenze wagen keine Prognose, ob die Zahlen unter die Warnschwellen sinken werden, aber die Skepsis bleibt spürbar. Söder wirbt schon mal dafür, dass der Wintersport auch in den bayerischen Alpen reizvoll sei. Kurz beteuert, dass sein Land alles im Griff habe und bestens vorbereitet sei. Doch so richtig glauben beide wohl nicht daran, dass der Winter den Skifahrern gehören wird. Einzig die Corona-Schnelltests, die kommen sollen, könnten hoffen lassen. Wie lang, bleibt offen. Denn auch das wird wohl kommen: eine fünftägige Quarantänepflicht für Heimkehrer aus Risikogebieten. Da helfen auch Schnelltests nicht mehr.

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