Trump schickt sechsseitigen Wutbrief an Nancy Pelosi

18.12.2019, 19:00 Uhr
Wegen des drohenden Amtsenthebungsverfahrens hat Trump in einem Brief schwere Vorwürfe gegen Nancy Pelosi, Spitzenfrau der US-Demokraten, erhoben.

© SAUL LOEB, AFP Wegen des drohenden Amtsenthebungsverfahrens hat Trump in einem Brief schwere Vorwürfe gegen Nancy Pelosi, Spitzenfrau der US-Demokraten, erhoben.

Vor dem historischen Votum über die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Donald Trump hat der US-Präsident seiner Wut über das Prozedere in einem Brief freien Lauf gelassen. In dem sechsseitigen Schreiben an die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, erhob Trump schwere Vorwürfe gegen die Frontfrau der Demokraten und ihre Partei. "Indem Sie mit Ihrem ungültigen Impeachment fortfahren, verletzen Sie Ihre Amtseide, brechen Sie Ihre Treue zur Verfassung und erklären Sie der amerikanischen Demokratie offen den Krieg", hieß es in dem Brief, den das Weiße Haus am Dienstag (Ortszeit) veröffentlichte.


Amtsenthebung Trumps: Demokraten treiben Vorhaben voran


Das Repräsentantenhaus kam am Mittwoch zu der entscheidenden Sitzung zusammen, an deren Ende die Abgeordneten über zwei Anklagepunkte gegen den republikanischen Präsidenten abstimmen sollen: Machtmissbrauch und Behinderung der Ermittlungen des Kongresses. Nimmt eine einfache Mehrheit der Abgeordneten mindestens einen der beiden Punkte an, wird das Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) formell eröffnet. Da das Repräsentantenhaus von den Demokraten dominiert wird, gilt eine Mehrheit als sicher.

Bereits zu Beginn der Sitzung war absehbar, dass sich das Ganze lange hinziehen würde - nach deutscher Zeit wohl bis in die Nacht zu Donnerstag. Die Republikaner im Repräsentantenhaus verzögerten die Beratungen mit Anträgen und verfahrenstechnischen Schritten. Nach einer Debatte über das Prozedere waren allein sechs Stunden für die Debatte der Anklagepunkte angesetzt. Es war jedoch zu erwarten, dass weitere Anträge und parlamentarische Volten der Republikaner die Sitzung deutlich verlängern würden.

"Nicht mehr als ein illegaler Umsturzversuch"

Trotz der sicheren Mehrheit in der Kammer droht Trump nach jetzigem Stand kein baldiger Auszug aus dem Weißen Haus: Das eigentliche Verfahren wird voraussichtlich im Januar im Senat stattfinden, der dann die Rolle eines Gerichts einnimmt - und dort haben Trumps Republikaner die Mehrheit. Mindestens 20 von ihnen müssten sich auf die Seite der Demokraten schlagen, um die für eine Amtsenthebung nötige Zweidrittelmehrheit zu erreichen. Der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, sagte dem Sender Fox News: "Es gibt keine Chance, dass der Präsident des Amtes enthoben wird."

Dennoch ist schon das bisherige Verfahren ein gigantischer Makel in Trumps Präsidentschaft: Trump ist erst der dritte Präsident in der US-Geschichte, der sich einem Votum über ein Impeachment im Abgeordnetenhaus stellen muss. Wie sehr das Trump mitnimmt, machte besonders das Wutschreiben an Pelosi deutlich, das der Präsident "für die Geschichtsschreibung" verfasst haben will und das die Adressatin "wirklich krank" nannte. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Stephanie Grisham, sagte dem Sender Fox News am Mittwoch mit Blick auf Trump: "Er ist frustriert, wie der Brief gestern beweist."


"Eine Schande": Trump glaubt nicht an Amtsenthebung


Trump selbst wies die Vorwürfe gegen sich in dem Schreiben vehement zurück: Die Anschuldigungen seien "wertlos", "gegenstandslos", ja "grotesk". Das von den Demokraten angestrebte Verfahren sei "nicht mehr als ein illegaler, parteiischer Umsturzversuch". Trump verstieg sich zu der Aussage: "Den Beschuldigten bei den Hexenprozessen von Salem wurde ein faireres Verfahren gewährt."

In der Stadt Salem im US-Staat Massachusetts hatten 1692 Prozesse begonnen, bei denen zahlreiche Menschen der Hexerei beschuldigt wurden - und die 25 Menschen das Leben kosteten. Salems Bürgermeisterin Kim Driscoll verbat sich den Vergleich: "Lern ein wenig Geschichte", twitterte sie. Bei den Hexenprozessen damals habe es keinerlei Beweise gegeben - anders als in der Ukraine-Affäre.

Trump wirft Demokraten Machtmissbrauch vor

In seinem Brief kehrte Trump die Vorwürfe um, die in der Ukraine-Affäre gegen ihn gerichtet sind. Er warf seinerseits den Demokraten Machtmissbrauch und Einmischung in die Wahlen vor. "Sie sind diejenigen, die die Demokratie in Amerika untergraben. Sie sind diejenigen, die die Justiz behindern. Sie sind diejenigen, die unserem Land Schmerz und Leid zufügen, um sich selbst selbstsüchtig einen persönlichen, politischen und parteiischen Vorteil zu verschaffen." Trump prognostizierte, Pelosi und ihre Demokraten würden für das Amtsenthebungsverfahren bei den Präsidentschafts- und Kongresswahlen im November kommenden Jahres abgestraft werden.

Tatsächlich ist das nicht ausgeschlossen: Viele Amerikaner sind nicht davon überzeugt, dass die Vorwürfe gegen Trump für ein Amtsenthebungsverfahren ausreichen. In Umfragen ist nur eine hauchdünne Mehrheit für ein Impeachment. Beunruhigend dürften für die Demokraten auch die Zustimmungswerte für Trump sein. Zwar ist immer noch eine deutliche Mehrheit nicht zufrieden mit diesem Präsidenten. Die Zustimmungswerte sind zuletzt aber wieder merklich angestiegen.

Einen Punkt könnte Trump auch mit einer weiteren Behauptung aus seinem Brief haben: Dass die republikanische Partei wegen des Impeachments "vereinter als je zuvor" sei. Tatsächlich unterstützen in Umfragen nur zehn Prozent der Anhänger der Republikaner das Amtsenthebungsverfahren - bei den Anhängern der Demokraten sind es fast 83 Prozent. Unter den Wählern, die sich keiner der beiden Parteien zuordnen, findet das Impeachment keine Mehrheit: Nur knapp 44 Prozent in dieser Gruppe unterstützen es.

Die Demokraten beschuldigen Trump, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu Ermittlungen gegen Trumps politischen Rivalen Joe Biden gedrängt zu haben, um die US-Präsidentschaftswahl 2020 zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Sie sehen es als erwiesen an, dass Trump von der Ankündigung solcher Ermittlungen ein Treffen mit Selenskyj im Weißen Haus und die Freigabe von Militärhilfe für die Ukraine abhängig gemacht habe. Als das herausgekommen sei, habe Trump alles daran gesetzt, die Ermittlungen im Kongress zu blockieren.

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