Trump vs. Biden: Darum war das TV-Duell ein neuer Tiefpunkt

30.9.2020, 08:15 Uhr
US-Präsident Donald Trump (links) und der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden am 29 September während der ersten von drei Präsidentschaftsdebatten, moderiert von Chris Wallace, in Cleveland, Ohio.

© KEVIN DIETSCH via www.imago-images.de, imago images/UPI Photo US-Präsident Donald Trump (links) und der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden am 29 September während der ersten von drei Präsidentschaftsdebatten, moderiert von Chris Wallace, in Cleveland, Ohio.

Von einer Debatte im herkömmlichen Sinne, vom Diskutieren über Inhalte, über Programme, konnte schon nach wenigen Minuten keine Rede mehr sein. Stattdessen stand der Abend ganz im Zeichen persönlicher, beleidigender Attacken. Was vor allem am Amtsinhaber lag.

Trumps Devise lautet Angriff

Dass Trump versuchen würde, seinen Gegner durch heftige Angriffe aus dem Gleichgewicht zu bringen, war erwartet worden. Biden neigt dazu, sich zu verhaspeln, den Faden zu verlieren, wenn er unter Druck kommt. Doch die Aggressivität, die Trump vom Startschuss weg an den Tag legte, hat dann doch überrascht. Nie ließ er seinen Kontrahenten ausreden, ständig fiel er ihm ins Wort. 2016, als er bei drei TV-Debatten mit Hillary Clinton stritt, hatte er immerhin noch auf ein Mindestmaß an Etikette geachtet. Davon war nichts, aber auch gar nichts mehr zu spüren.

„Können Sie endlich mal den Mund halten, Mann“

Bisweilen hatte es den Anschein, als wollte der 74-Jährige wie eine Dampfwalze über seinen drei Jahre älteren Widersacher hinwegrollen. Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis Biden sich provozieren ließ. „Können Sie endlich mal den Mund halten, Mann“, fuhr er ihn an, sichtlich irritiert, weil er keinen Gedanken zu Ende bringen konnte, ohne unterbrochen zu werden. Es war nicht das einzige Mal, dass er sich zu einer unbedachten Äußerung hinreißen ließ. Nur wirkte es, gemessen an den Tiraden des Präsidenten, vergleichsweise harmlos.

Lobeshymnen und falsche Behauptungen

Inhaltlich hat man nichts Neues erfahren. Trump fand es völlig angemessen, die vakante Stelle am Supreme Court im Eilverfahren mit einer konservativen Richterin zu besetzen, während Biden einmal mehr forderte, das Ergebnis der Wahl am 3. November abzuwarten, bevor über die Personalie Amy Coney Barrett entschieden wird. Trump lobte sich dafür, im Umgang mit der Corona-Epidemie einen tollen Job zu machen.


Biden gibt Trump Schuld für Gewalt in den USA


Biden sprach von einem Staatschef, der zum einen nie einen Plan gehabt und zum anderen die Gefahr wochenlang, wider besseres Wissen, heruntergespielt habe. Trump malte seine unbewiesene These, nach der beim Briefwählen massiv manipuliert werde, einmal mehr in düsteren Farben aus. Offenbar baut er vor für ein Szenario, bei dem er zwar in der Nacht nach dem Wahltag vorn liegt, aber dann, wenn nach und nach die per Post abgegebenen Stimmen ausgezählt werden, ins Hintertreffen gerät. Biden hingegen zitierte den FBI-Direktor, einen Republikaner, der die Betrugsbehauptung ins Reich der Legenden verwiesen hatte, und unterstrich, dass der Sieger erst nach Auszählung ausnahmslos aller Stimmen feststehe.

Ohne jede Würde

Doch es waren die permanenten Schläge unter die Gürtellinie, die im Gedächtnis bleiben werden. Das permanente Überschreiten jeglicher Hemmschwelle. Als Biden von seinem Sohn Beau sprach, ein Jahr lang Soldat im Irak, bevor Ärzte einen Hirntumor diagnostizierten, an dem er 2015 starb, wechselte Trump sofort das Thema und brachte den zweiten Sohn seines Rivalen ins Spiel.

Über Hunter Biden, der im Aufsichtsrat des ukrainischen Erdgaskonzerns Burisma saß und lukrative Geschäfte in China anbahnte, hatte er zuvor das neu aufgetauchte Gerücht verbreitet, er habe 3,5 Millionen Dollar von der Frau des Moskauer Bürgermeisters kassiert – was Biden senior kategorisch bestreitet. Dass Trump bei alledem nicht ein Wort der Anteilnahme für Beau Biden fand, sondern umgehend zur nächsten Attacke blies, empfanden in ersten Stellungnahmen selbst manche seiner Parteifreunde als würdelos.


Trump will von Demokraten regierten Städten den Geldhahn zudrehen


Und als ihn der Moderator Chris Wallace, beschäftigt beim Sender Fox News, fragte, ob er weißen Überlegenheitsdünkel verurteile, war der absolute Tiefpunkt erreicht, auch inhaltlich. Statt eine klare Antwort zu geben, sprach er in neutralen Tönen von einer rechtsradikalen Miliz, die in Portland, Oregon, zu provozieren versucht: Die „Proud Boys“ sollten sich zurückhalten, aber bereitstehen. Da war er wieder, der Präsident, dem es ein ums andere Mal schwerfällt, sich von Fanatikern zu distanzieren.

Verwandte Themen


35 Kommentare