Türkisches Gericht spricht Nürnberger frei

31.3.2021, 05:56 Uhr
Darf wieder zurück in seine Heimatstadt Nürnberg: Erdigan Ataş.

© Foto: privat Darf wieder zurück in seine Heimatstadt Nürnberg: Erdigan Ataş.

Eine zeitlang war Erdogan Ataş telefonisch ziemlich schwer zu erreichen. Der Nürnberger mit kurdischen Wurzeln hatte viel um die Ohren, musste sich in der Türkei auf einen Prozess vorbereiten. Anderthalb Jahre durfte er das Land nicht verlassen, weil er angeblich gemeinsame Sache mit Terroristen gemacht haben soll.

Auch gestern nahm er den Hörer nicht gleich ab. Aber nicht, weil er mal wieder Dokumente übersetzen, mit seinem Anwalt ein paar Schriftsätze durchgehen oder seine Verteidigung vorbereiten musste. Sondern weil er einen Haufen frisch gefangener Fische ausnahm. Für den Abend erwartete er Gäste, die mit ihm feiern wollten. Feiern, dass sich alle Vorwürfe gegen ihn vor Gericht als haltlos erwiesen hatten und der Richter ihn freigesprochen hatte.

Urteil ist rechtskräftig

Das ist mittlerweile schon zwei Wochen her, doch Ataş hatte im Gespräch mit unserer Zeitung gebeten, seinen Freispruch noch geheimzuhalten, bis das Urteil rechtskräftig wurde. Das ist mittlerweile eingetreten, und zum ersten Mal seit vielen Monaten kann sich der Musikpädagoge darüber Gedanken machen, wie er am besten nach Hause kommt.

Der immense psychische Druck, den er über Monate hinweg hatte ertragen müssen, will nur langsam von ihm weichen. Von Beginn an hatte die Staatsanwaltschaft nichts Konkretes gegen ihn in der Hand, stellte ihn pauschal unter Terrorverdacht. Warum? Weil der inzwischen 57-Jährige im Rahmen seines Berufs – dazu gehört unter anderem aufsuchende Sozialarbeit – gelegentlich im Medya Volkshaus in der Nürnberger Südstadt zu tun hatte, einem kurdischen Kulturzentrum. Daraus strickte der Ankläger eine Mitgliedschaft bei der PKK, der Arbeiterpartei Kurdistans, die in Ankara als Terrororganisation angesehen wird.

Ataş wandte sich an die deutsche Botschaft, drang aber zunächst nicht richtig durch. Nachdem ein erstes Verfahren in Ankara abgeschmettert worden war, kam es zu einer zweiten Verhandlung in Tunceli, der Provinzhauptstadt im kurdischen Teil der Türkei, in deren Nähe Ataş im Dorf seiner Familie ausharrte. Dort kam im Beisein eines konsularischen Vertreters der deutschen Botschaft, der den Prozess beobachtete, rasch heraus, dass die Beweislage, gelinde gesagt, ausgesprochen dünn war. Die Anklage hatte eine Zeugin benannt, welche die Vorhaltungen bestätigen sollte. Doch außer, dass sie auch in Nürnberg lebt und ab und an in die Türkei reist, gab es zwischen ihr und Ataş keine Berührungspunkte, wie sie vor Gericht einräumte.

Daneben konnte Ataş, der fleißig alle seine Zeugnisse, Diplome und Arbeitsnachweise übersetzt hatte, glaubhaft machen, dass er völlig unbescholten in Nürnberg lebt und nur seinem Beruf nachgeht, sofern er ein Begegnungszentrum aufsucht. Das überzeugte den Richter. Und so wird der 57-Jährige bald zum ersten Mal seit anderthalb Jahren seine Familie wieder in die Arme schließen können. Einzige Hürde: Die jüngst erlassenen Einreisebeschränkungen, wonach jeder, der per Flugzeug nach Deutschland kommt, einen negativen Coronatest vorlegen muss. „Aber das kann mich jetzt auch nicht mehr aufhalten“, sagt Ataş zuversichtlich.