TV-Debatte der Vize-Kandidaten: Tiefe Gräben zwischen Demokraten und Republikanern

8.10.2020, 07:43 Uhr
Kamala Harris und Mike Pencewährend der TV-Vize-Präsidentschaftsdebatte in Kingsbury Hall auf dem Campus der Universität von Utah. 

© Patrick Semansky, dpa Kamala Harris und Mike Pencewährend der TV-Vize-Präsidentschaftsdebatte in Kingsbury Hall auf dem Campus der Universität von Utah. 

Im Umgang mit dem Coronavirus, betont sie, habe das Kabinett Donald Trumps so gründlich versagt, wie noch nie eine Regierung des Landes versagt habe. Bereits Ende Januar seien Trump und sein Stellvertreter über die Gefahr im Bilde gewesen. „Sie wussten, was geschah. Und sie haben es Ihnen nicht gesagt. Sie wussten es, und sie haben es verschleiert.“ Aus dem Grund, setzt sie ihren Punkt, hätten beide das Recht verwirkt, wiedergewählt zu werden.

Trump habe früh das Richtige getan

Pence versucht der Kritik die Spitze zu nehmen, indem er wiederholt, womit sich sein Vorgesetzter im Weißen Haus schon seit Monaten aus der Affäre zu ziehen versucht. Zum einen, sagt er, habe Trump sehr früh, noch im Januar, das Richtige getan und ein Einreiseverbot aus China verfügt, ein Verbot, das von Oppositionellen wie Harris seinerzeit abgelehnt worden sei. Zum anderen habe er die „größte Mobilisierung seit dem Zweiten Weltkrieg“ organisiert. Wer nicht zu schätzen wisse, was für ein Kraftakt das war, gibt er zu verstehen, der wisse die Leistung der Amerikaner insgesamt nicht zu würdigen. Darauf Harris unter Verweis auf 210 000 Corona-Tote zwischen Seattle und Miami: „Was immer die Regierung angeblich getan hat, es hat offensichtlich nicht funktioniert“.

Es folgt ein Disput, der deutlich macht, welche tiefen philosophischen Gräben zwischen Republikanern und Demokraten liegen. Pence spricht von der Freiheit, in deren Interesse man den Leuten schon zutrauen müsse, die richtigen Entscheidungen zu treffen, während die Demokraten sie mit ihren Verboten, ihrem Zwang nur gängeln wollten. „Sie respektieren das amerikanische Volk, indem Sie ihm die Wahrheit sagen“, kontert Harris.


Michelle Obama wirft Trump Versagen im Kampf gegen Corona vor


So hart es inhaltlich zur Sache geht, stilistisch halten sich beide an die Etikette der Höflichkeit. Unter normalen Umständen wäre es kaum der Rede wert, im derzeit so aufgeheizten politischen Klima aber wirkt es fast schon wie die Ausnahme. Donald Trump und Joe Biden hatten sich vor gut einer Woche ein Duell geliefert, das in wüste Beschimpfungen ausartete. Pence und Harris lassen einander meist, wenn auch bei weitem nicht immer, ausreden. Der Amtsinhaber ist mit seiner sonoren Stimme und seiner behäbig wirkenden Art ohnehin nicht der Typ, der schnell die Fassung verliert. Seine Kontrahentin begleitet etliche ihrer Sätze mit einem Lächeln, auch dann, erst recht dann, wenn sie sich verbittet, unterbrochen zu werden: „I c h rede, Herr Vizepräsident“.

Viel mehr dürfte, abgesehen von dem fulminanten Start, allerdings nicht im Gedächtnis haften bleiben. Überraschungen gab es keine. Dass die Republikaner das Duo Biden/Harris, beide moderate Reformer, in die Nähe der „radikalen Linken“ zu rücken versuchen und vor Steuererhöhungsorgien im Falle eines Machtwechsels warnen, wie Pence es am Mittwochabend einmal mehr tat, ist längst so etwas wie ihr Mantra. Dass die Demokraten dem Gespann Trump/Pence vorwerfen, das Vertrauen der Verbündeten in aller Welt verspielt zu haben, ist auch nichts Neues. Allerdings spitzt es Harris noch einmal zu, indem sie aus einer Studie des Washingtoner Meinungsforschungsinstituts Pew zitiert: Demnach genießt der Chinese Xi Jinping bei manchen Alliierten inzwischen mehr Respekt als der Amerikaner Donald Trump.

Ein Stück Normalität

Gemessen an dem Hype, der das Streitgespräch begleitete, war es - weder enttäuschend noch herausragend – eher ein Stück Normalität. Wobei der Hype durchaus seine Berechtigung hatte. Noch nie seit 1976, dem Jahr, in dem Kandidaten fürs Amt des Vizepräsidenten zum ersten Mal im Fernsehen diskutierten, hat es eine Konstellation wie die heutige gegeben. Wer immer die Wahl gewinnt, wird im Januar der älteste US-Präsident sein, der je seinen Amtseid leistete. Ob Trumps Corona-Infektion Nachwirkungen hinterlässt, bleibt abzuwarten, und solange die Pandemie nicht ausgestanden ist, bleibt das Risiko auch für Biden, der im November 78 wird, enorm hoch.


Trumps Corona-Infektion: Warum man zunächst an eine Flinte denkt


So makaber es klingen mag, so realistisch scheint es, dass entweder Mike Pence oder Kamala Harris in nicht allzu ferner Zukunft ins höchste Staatsamt aufrücken. Also standen sie in Salt Lake City vor der Aufgabe, herauszutreten aus dem Schatten der jeweiligen Nummer eins – aber nicht so weit, dass man ihnen Profilsucht oder gar Illoyalität vorwerfen könnte. Ein Balanceakt von höchstem Schwierigkeitsgrad, und das unter immensem Druck. Herausgekommen ist eine Vorstellung, die schon bald in Vergessenheit geraten dürfte.

Verwandte Themen


4 Kommentare