USA: Hunderte Übergriffe auf Journalisten

23.10.2020, 13:55 Uhr
Ein Anhänger von US-Präsident Trump während einer Wahkamfveranstaötung: Im Umfeld solcher Auftritte kommt es immer wieder zu Übergriffen auf Journalisten, beklagt die Nichtregierungsorganisation "Reporter ohne Grenzen".

© Stephanie Keith/imago images Ein Anhänger von US-Präsident Trump während einer Wahkamfveranstaötung: Im Umfeld solcher Auftritte kommt es immer wieder zu Übergriffen auf Journalisten, beklagt die Nichtregierungsorganisation "Reporter ohne Grenzen".

Wenn einem TV-Reporter am Rand einer Wahlkampfveranstaltung gesagt wird, er solle sich doch am besten eine Kugel in den Kopf schießen, muss man sich Sorgen um die Pressefreiheit machen. Dieser Vorfall hat sich tatsächlich ereignet, und zwar nicht in einem jener Länder, die Journalisten ohnehin behandeln, als wären sie nichts anderes als Staatsfeinde und Störenfriede, sondern in den USA. Betroffen davon war Will Stakin vom Sender ABC News, der im Vorfeld einer Wahlkampfrede von US-Präsident Donald Trump in Florida Menschen interviewte, die auf Einlass warteten.

Ein Einzelfall? Ganz und gar nicht. In Newport Beach (Kalifornien) verfolgte ein Mann eine Journalistin der Los Angeles Times mehrere Minuten lang durch eine Menge von Trump-Unterstützern, skandierte immer wieder "fake news!" und ermunterte andere, es ihm gleichzutun.

Angriffe und Festnahmen

Diese und ähnliche Vorfälle rufen nun die Organisation "Reporter ohne Grenzen" (RSF) auf den Plan. Dort zeigt man sich äußerst besorgt über die hohe Zahl von Übergriffen gegen Journalistinnen und Journalisten in den USA. Seit Jahresbeginn haben Pressefreiheitsorganisationen dort mindestens 371 Übergriffe gegen Medienschaffende dokumentiert, darunter 223 tätliche Angriffe sowie 73 Festnahmen. "Noch nie zuvor in der US-Geschichte ist die Pressefreiheit so massiv unter Beschuss geraten", warnt die Organisation.

"Die erschreckende Feindseligkeit und Gewalt, die Journalistinnen und Journalisten für die bloße Ausübung ihres Berufs entgegenschlägt, ist bezeichnend für die immer schlechter werdende Lage der Pressefreiheit in den USA", sagt RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. In den Wochen vor den Präsidenten- und Kongresswahlen habe sich die Situation sogar noch verschärft, so seine Beobachtung. Dabei markiert der gewaltsame Tod des Afroamerikaners George Floyd während einer Polizeikontrolle eine Art Wegmarke: Bei den daraus resultierenden "Black Lives Matter"-Protesten stieg die Zahl der Übergriffe sprunghaft an.

Die Zahl von 371 dokumentierten Übergriffen spiegelt das Ausmaß der Gewalt laut RSF nur unvollständig wider. Insgesamt hat das Projekt "U.S. Press Freedom Tracker" für das laufende Jahr bereits 868 Meldungen über Übergriffe gesammelt, von denen wegen der großen Zahl aber viele noch nicht verifiziert werden konnten. Den größten Teil an diesen Übergriffen machten demnach vorsätzliche tätliche Angriffe auf eindeutig als Medienvertreter erkennbare Personen aus – und zwar vor allem durch die US-Polizei.

RSF hat eine Vermutung, woher diese aggressive Grundstimmung gegen Medienschaffende stammt: Sie werde nicht zuletzt von Donald Trump und dessen Entourage befeuert, heißt es. So würden Journalisten in den Vereinigten Staaten mittlerweile routinemäßig als "Volksfeinde" und "fake news" charakterisiert.

Diese Entwicklung macht sich in der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit bemerkbar. Dort stehen die USA, die sich selbst als Vorzeige-Demokratie verstehen, derzeit auf Platz 45 von 180 Staaten und damit noch weit hinter mehreren Ländern in Afrika (z.B. Namibia, Ghana oder Botswana) – ein Kontinent, über den Donald Trump sich oft sehr abfällig äußert. Deutschland hat in diesem Ranking aktuell Platz 11 inne.

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