Zurück ins Klassenzimmer? Diese Probleme treffen Schulen

15.4.2020, 05:56 Uhr
Im Mittelpunkt der Konferenz am Mittwoch dürfte auch die Frage stehen, wann Kinder und Jugendliche wieder in die seit Wochen geschlossenen Kitas und Schulen zurückkehren können.

© dpa Im Mittelpunkt der Konferenz am Mittwoch dürfte auch die Frage stehen, wann Kinder und Jugendliche wieder in die seit Wochen geschlossenen Kitas und Schulen zurückkehren können.

Innere Ruhe fand Alfred Lockl während der vergangenen Osterfeiertage nicht. Im Gegenteil. Er habe sich sehr viele Gedanken gemacht, wie man die Schulen wieder öffnen könne, sagt der 62-Jährige. Auf eine sinnvolle und zugleich schnell durchführbare Lösung kam er nicht.

Lockl leitet das Gymnasium und die Fachoberschule der Christian-von-Bomhard Schule in Uffenheim. Zu der Einrichtung gehört auch ein Internat. Nicht alle Schüler – einige von ihnen kommen aus dem Ausland – konnten nach Hause fahren und müssen seit Mitte März weiter betreut werden.


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Die Jungen und Mädchen wurden auf zwei Klassenzimmer aufgeteilt und vormittags von Lehrern im Schichtbetrieb unterrichtet. "Das hatten wir gut im Griff", sagt Lockl.

Kein Wunder. Denn es handelte sich lediglich um zwölf Schüler. Aber auch bei dieser geringen Anzahl traten Probleme auf. Und zwar nach dem Essen. Die Schüler sammelten sich bei der Geschirr-Rückgabe und standen zu dicht. "Wenn das schon bei zwölf schwierig war, wie soll das erst mit der vollen Anzahl gehen?", fragt sich Lockl.

Öffnung nur für ältere Schüler

Einige Politiker und Eltern fordern, den Kindern wieder Struktur zu geben und die Schulen zu öffnen. Aber wie?

Anders als die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften regte das Berliner Robert Koch-Institut (RKI) in seiner jüngsten Pressekonferenz an, Schulen zuerst wieder für die höheren Jahrgänge zu öffnen. Es gehe dabei um die Annahme, dass Jugendliche Abstandsregeln besser einhalten könnten, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler. "Das ist eine Entscheidung der Politik", ergänzte er. Es gebe Gründe dafür und dagegen.


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Vieles sei ein Ausprobieren, heißt es beim Robert-Koch-Institut vage. Ausprobieren und damit womöglich riskieren, dass die Zahl der Corona-Infizierten wieder ansteigt? Michael Schwägerl ist Vorsitzender des Bayerischen Philologenverbands und mahnt, dass Schulen nicht zum Experimentierfeld werden sollen. Er gehe nicht davon aus, dass Kinder und Jugendliche am kommenden Montag wieder flächendeckend unterrichtet werden können.

Eine stufenweise Öffnung mit zeitlichem Vorlauf und einer gründlichen Planung hält er jedoch für machbar. Schließlich müssen nicht nur Verhaltensregeln, sondern auch angepasste Lehrpläne aufgestellt werden. Schwägerl unterstreicht die Ansicht des RKI, zunächst die älteren Schüler in die Klassenzimmer zurück zu holen.

Kleine Klassenstärken personell nicht machbar

Doch neben den weiterführenden Schulen müssen auch Ideen für die Grundschulen her. Die naheliegende Maßnahme auch hier ist Distanz. Aber: Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich Erstklässler an die Abstandsregeln halten, ihre Hände regelmäßig für 20 Sekunden waschen und eine Atemschutzmaske über Stunden korrekt tragen – abgesehen davon, dass es momentan nicht ausreichend Schutzmasken gibt. Allein in Nürnberg besuchen rund 18.000 Jungen und Mädchen eine Grundschule.


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Thomas Reichert, Direktor des Nürnberger Schulamtes, will die Entscheidungen am Mittwoch abwarten und diese dann umsetzen. Wann Grundschulen öffnen könnten, darüber will er nicht spekulieren. Auch die Empfehlung der Leopoldina, zunächst Grundschulen und Sekundarstufe I schrittweise zu öffnen, lässt er unkommentiert. Dennoch spielen auch er und sein Team mögliche Szenarien für die nächsten Monate durch. Fächer wie Sport und Musik weglassen? Schichtbetrieb? Maskenpflicht? Aber wer soll die penibel überwachen? "Klassenstärken von zehn bis 15 Schüler wäre personell nicht machbar", gibt Reichert zu bedenken.

Unbestritten ist, dass Grundschüler wieder in die Schulen sollen. Ein Drittel habe sich in der Zeit der Schulschließungen weniger als 15 Stunden in der Woche mit Schule beschäftigt, hat das Institut für Bildungsmanagement und Bildungsökonomie der Pädagogischen Hochschule Zug im "Schul-Barometer" für Deutschland, Österreich und die Schweiz festgestellt.

Die To-do-Liste ist lang

Sollten Bund und Länder beschließen, die Schulen in einigen Tagen schrittweise zu öffnen, würde das aber weit mehr als personelle Probleme nach sich ziehen. Neben einer gründlichen Reinigung der Klassenzimmer müsste auch überlegt werden, ob die Kinder mit einem Mittagessen versorgt werden könnten. Busunternehmen müssten ebenfalls ihren Betrieb wieder aufnehmen und die Schüler – mit ausreichend Abstand zueinander – transportieren. Wer auf dem Land lebt, ist auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen.

Das bayerische Kultusministerium hält sich bedeckt. "Die Schulen wurden gebeten, sich in den Osterferien für gegebenenfalls kurzfristig erforderliche organisatorische und planerische Maßnahmen bereitzuhalten. Sie werden nach den Entscheidungen umgehend informiert", sagt Pressesprecher Günther Schuster.

Ohne Schutzmasken sieht Direktor Alfred Lockl wenig Chancen, die Kinder wieder zum Unterricht zu schicken. Der Schutz aller müsse eingehalten werden, auch im Hinblick auf die Lehrer, betont er. Der Pädagoge wünscht sich eine Entscheidung, die von Vorsicht getragen ist und die von allen mit einem guten Gefühl umgesetzt werden kann. Damit nicht nur er seine innere Ruhe wieder finden kann.


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