Gesetz gegen Gaffer:

Wer Unfalltote filmt, macht sich jetzt strafbar

17.6.2021, 06:02 Uhr
Klare Ansprache: Stefan Pfeiffer, Leiter der Verkehrspolizeiinspektion Feucht (links), machte am 21. Mai 2019 einem Gaffer deutlich, dass sein Verhalten nicht geduldet sei.

© NEWS5 / Grundmann, NN Klare Ansprache: Stefan Pfeiffer, Leiter der Verkehrspolizeiinspektion Feucht (links), machte am 21. Mai 2019 einem Gaffer deutlich, dass sein Verhalten nicht geduldet sei.

Es ist nun zwei Jahre her, als Stefan Pfeiffer, Leiter der Verkehrspolizeiinspektion (VPI) in Feucht, bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Dem 56-jährige Polizeidirektor wäre es allerdings lieber gewesen, wenn es nie soweit gekommen wäre. Doch sein ungewöhnlich deutliches Auftreten nach einem schweren Unfall, bei dem ein 47-jähriger Lkw-Fahrer ums Leben gekommen war, zeigte Wirkung. Was war geschehen? Pfeiffer bot filmenden Transporterfahrern an, die Leiche des Unfallopfers aus nächster Nähe aufzunehmen. Freilich war es nicht seine Absicht, das zuzulassen. Doch alleine die Ansprache wirkte wie ein kleiner Schock auf die Fernfahrer, was in den zahlreichen YouTube-Videos von der Unfallstelle heute noch zu sehen ist: Die Angesprochenen lehnten den Blick auf die Leiche ab, manche entschuldigten sich sogar für ihr Verhalten.

Doch hat sich gut zwei Jahre nach Stefan Pfeiffers Intervention auf der A6 bei Schwabach was verändert? "Nein, verändert hat sich am Verhalten der Leute seither nicht viel", sagt er. Es wäre auch naiv zu denken, dass sich damit - abgesehen von den Angesprochenen - das Verhalten mancher Zeitgenossen tatsächlich ändert. Doch Pfeiffer, der auch Mitglied der Verkehrskommission der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) ist, würde es genauso wieder machen: "Wäre die Situation die Gleiche, dann würde ich wieder so reagieren", gibt er zu. Allerdings sei ihm klar, dass das kein "polizeilich geschultes Vorgehen" sei. "Das war nicht aus dem Lehrbuch, ich würde das auch keiner Kollegin und keinem Kollegen empfehlen."

"Ich bin heute noch dankbar über die Wirkung"

Dass die Filme der Journalisten von News 5 so großen Anklang in den sozialen Netzwerken fanden und mit ihnen vorwiegend positive Rückmeldungen von Nutzern kamen, hat Pfeiffer darin etwas bestärkt. Selbst von ganz oben kam ein Lob: "Das Verhalten vieler Gaffer ist unverschämt und unverantwortlich", schrieb Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) auf Facebook. "Ich freue mich, dass der Polizeikollege das einigen Gaffern auch mal emotional nahegebracht hat."

"Ich bin heute noch dankbar über die Wirkung und über die öffentliche Diskussion, die das ausgelöst hat. Wir sind der Lösung des Problems damit sicher einen Schritt näher gekommen", ist sich der Chef der Inspektion Feucht, die neben vielen anderen Aufgaben 400 Streckenkilometer Autobahn rund um Nürnberg und einen längeren Abschnitt der Bundesstraße 2 betreut. Eine Teillösung, die Pfeiffer begrüßt, gilt seit Anfang des Jahres 2021. Der Gesetzgeber hat reagiert. Personen in hilfloser Lage mit dem Handy oder anderen Aufzeichnungsgeräten zu filmen, ist länger schon verboten und wird als Straftat behandelt. Geregelt ist das in Paragraf 201a des Strafgesetzbuches (StGB). Geahndet wird das mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren oder einer Geldstrafe. "Das Filmen von Leichen war bisher nicht strafbar. Das ist seit Anfang des Jahres anders", erklärt Pfeiffer. Jetzt stehen auch die Unfalltoten unter dem Schutz des Paragrafen 201a. Filmen von Leichen gilt nun als eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs.

Eine Gesetzesänderung wäre nötig

Jährlich kommen im Zuständigkeitsbereich der VPI Feucht im Durchschnitt zehn bis 15 Menschen auf den Straßen ums Leben. Alleine in diesem Jahr sind es schon acht Tote. Und mit jedem Unfall gibt es Gaffer und Leute, die filmen oder fotografieren. "Um dieses Fehlverhalten zu sanktionieren, müssen wir die Fahrzeuge anhalten. Wir können aber nicht alle stoppen, es sind zu viele", sagt Pfeiffer. Um die Personalien aufzunehmen, müsste er die Autobahn sperren lassen.

In diesem Zusammenhang kommt Pfeiffer zu einem weiteren Thema, das ihm auf den Nägeln brennt: die Halterhaftung. Auch dazu wäre eine Gesetzesänderung nötig. In Nachbarländern gibt es bereits teils echte Halterhaftung, bei der Fahrzeughalter das Bußgeld unabhängig davon bekommt, wer gefahren ist. In anderen Ländern bekommen Halter, die die Angabe des Fahrers verweigern, ein Bußgeld in Höhe der eigentlichen Strafe. Das wünschte sich Pfeiffer auch für Deutschland. Denn so könnten Polizisten das Kennzeichen des Gaffers dokumentieren und den Fall später weiterverfolgen.

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