Angekommen: Familie Razakov bangte jahrelang ums Bleiberecht

20.11.2020, 06:01 Uhr
Angekommen: Familie Razakov bangte jahrelang ums Bleiberecht

© Foto: Lidia Piechulek

Seit der bewaffnete Konflikt in der Ostukraine im Februar 2014 ausgebrochen ist, ist das Leben für Familie Razakov nicht mehr das gleiche. Timur Razakov ist Anfang 30 und hat zwei Söhne, als ihm im Laufe dieses ersten Konfliktjahrs die Realität einholt: Zwei Mal hört er in unmittelbarer Nähe seiner Wohnung Schüsse fallen. Und spätestens als sein Arbeitgeber auf Geheiß der ukrainischen Regierung verkündet, dass alle Angestellten die näher rückende Grenze des Konflikts verstärken müssten, reift in dem Familienvater der Entschluss, zu gehen.


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Die Razakovs verlassen in einem Bus ihre Heimat, lassen den Hund bei den Verwandten zurück, und reisen zu viert in die deutsche Hauptstadt Berlin. Dort melden sie sich bei einer Polizeistation und werden kurze Zeit später zur zentralen Verteilungsstelle für Flüchtlinge in die Kaserne nach Roth geschickt.

Kein Flüchtlings-Status

Schnell müssen sie lernen, dass für ihr Herkunftsland nicht die gleichen Rechte wie für andere Kriegsgebiete gelten. Denn offiziell ist das, was sie zum Gehen bewogen hat, kein Krieg, sondern ein "bewaffneter Konflikt". In der Konsequenz dürfen die Razakovs beispielsweise nie einen Integrationskurs besuchen, weil sie nicht als Flüchtlinge anerkannt werden. Die Versuche Timurs und seiner Frau Svitlana, sich in Deutschland zu integrieren, sind deshalb mit viel Aufwand verbunden.


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Im Mai 2015 kommt die Familie zunächst in ein Asylheim in der Niederpappenheimer Straße in Pappenheim. Obwohl er unbedingt arbeiten will, statt Sozialleistungen zu beziehen, erhält Timur zunächst keine Arbeitserlaubnis. Der evangelische Pfarrer organisiert letztlich einen Deutschkurs für die ukrainische Familie. Zweimal die Woche kommt eine ehrenamtliche Deutschlehrerin zu den Razakovs nach Hause, um ihnen Stück für Stück das Alphabet beizubringen. Sie ist es auch, die die Eltern zu Behördengängen und behördlichen Gesprächen begleitet.

Ein zermürbendes Verfahren beginnt

Derweil beginnt das zermürbende Verfahren der Razakovs um ihr Bleiberecht. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnt es in erster Instanz ab – nach etwa zwei Jahren im Land. Die Familie klagt gegen das Urteil und erwirkt schließlich zumindest die Arbeitserlaubnis.


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Timur Razakov sucht anschließend schnellstmöglich nach Arbeit, die er mit seinen noch rudimentären Deutschkenntnissen machen kann. Er beginnt den Führerschein der Klasse B, zahlte die Fahrstunden und Prüfung in Raten ab und fängt als Auslieferungsfahrer für eine Metzgerei an. Kurze Zeit später wechselt er in den Paketdienst, bis er sich im August 2017 dazu entschließt, eine Ausbildungsstelle zu suchen. Die Ausländerbehörde bittet er darum, die Lehre trotz des ausstehenden Asylverfahrens antreten zu dürfen – und bekommt die Erlaubnis. Im August dieses Jahres hat er die Ausbildung zum Berufskraftfahrer abgeschlossen. Doch eine Aufenthaltserlaubnis bekommt die Familie schließlich auf anderem Wege.

Gut integrierte Kinder

Von Anfang an, im Schuljahr 2015, gehen die Kinder Shamil zur Schule und Rinat in den Kindergarten. Dadurch lernen sie schneller Deutsch als ihre Eltern und bringen diesen vieles bei. Timur und Svitlana Razakov stoßen unterdessen eher zufällig auf die Möglichkeit, dass gut integrierte Jugendliche nach vier Jahren Schulbesuch ein Bleiberecht erhalten können. Wenn die Erziehungsberechtigten gut verdienen, bekommen sie ebenfalls das Bleiberecht. So reicht die Familie im März dieses Jahres sämtliche Schulzeugnisse des 14-jährigen Sohns ein – sowie ein paar Urkunden zu dessen Engagement bei der Jugendfeuerwehr und im Pappenheimer Turnverein.

Vor kurzem hat die Familie nun ein Schreiben erreicht, dass ihnen mitteilt, dass sie in Deutschland bleiben dürfen. Mit leuchtenden Augen erzählt Svitlana Razakov davon, dass sie in wenigen Wochen allesamt Personalausweise bekommen werden. Shamils Ausweis ist bereits eingetroffen. Vor zwei Wochen hat die Familie außerdem auf sein Bitten hin einen Labradorwelpen gekauft.

Wenn man die ukrainische Familie nun danach fragt, was in der Zukunft noch kommen wird, dann fällt ihnen zunächst wenig ein. "Wir haben so lange auf einen Aufenthaltstitel gewartet, jetzt sind wir wunschlos glücklich", erklärt die Mutter. Nach einer Pause fällt dem Familienvater dann aber doch etwas ein: Er würde gern einmal ein Haus kaufen.

Svitlana Razakov ist derzeit Haushaltshilfe und verbessert stetig ihre Deutschkenntnisse, indem sie mit den Kindern für die Schule lernt. Wenn das noch imaginäre Haus einmal da ist, dann kann sie sich vorstellen, dort einen Raum als Friseursalon einzurichten. In ihrem früheren Leben in Donezc hat sie dieses Handwerk gelernt.

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