Corona-Shutdown: Verärgerte Händler, treue Kunden

9.4.2020, 06:04 Uhr
Corona-Shutdown: Verärgerte Händler, treue Kunden

© Patrick Shaw

Gisela Korn von der Schreibwaren-, Buch- und Spielwarenhandlung Korn schüttelt vor allem über die Ungleichbehandlung der kleineren Läden gegenüber den großen Ketten den Kopf. So dürfen zum Beispiel Drogeriemärkte öffnen, weil ihr Hauptsortiment dem täglichen Bedarf dient, und dann trotzdem auch Bücher, Schulbedarf und Spielsachen verkaufen. "Die machen jetzt das Ostergeschäft", beklagt Korn.

Corona-Shutdown: Verärgerte Händler, treue Kunden

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Die Treuchtlinger Traditionsbuchhandlung versucht zwar, mit einem Bestellservice per E-Mail und Telefon mitzuhalten, und liefert ab einem Einkaufswert von 30 Euro auch nach Hause. "Die Kunden müssen bei der Bestellung aber halt wissen, was sie wollen, und können nicht im Laden stöbern", so Korn. Dennoch freut sich die Seniorchefin darüber, dass "viele Treuchtlinger an uns denken". Neun von zehn Bestellungen kämen derzeit von Stammkunden: "Die vergessen uns nicht!"

Finanziell geht die Ladenschließung nichtsdestotrotz an die Substanz. "Als Familienbetrieb im eigenen Haus können wir schon ein paar Wochen überbrücken", erklärt Korn. "Inzwischen müssen wir aber bereits unser Erspartes für die Altersvorsorge einbuchen." Von den versprochenen Staatshilfen hält die Geschäftsfrau wenig: "Ein Betrieb muss Schulden haben, ja quasi vor der Insolvenz stehen, um Beihilfen zu bekommen. Das wollen wir nicht, dann bekommen wir lieber nichts geschenkt."

Wolle ist tabu, Tee und Bonbons nicht

Bereits Beihilfen beantragt hat Eva Preiß von der Strickwaren- und Feinkosthandlung sowie Textilreinigung "Allerhand". Sie darf seit Inkrafttreten der Corona-Beschränkungen zwar im Laden noch Gewürze, Öl, Bonbons und Tee verkaufen – Wolle und Nähsachen dagegen nur noch auf telefonische Bestellung. "Gleich am ersten Tag war das Ordnungsamt da und hat gesagt, ich müsse die Regale mit der Wolle mit einem Band absperren", erinnert sie sich. Anfangs hätten die Behörden auch bezweifelt, ob Feinkost überhaupt als Lebensmittel durchgeht. Trotzdem mache es ihr das gemischte Sortiment eher leichter, da sie den Laden wenigstens öffnen darf.

Textilien zur Reinigung können die Kunden ebenfalls weiterhin abgeben und abholen. "Es laufen aber nur noch so wenig Leute durch die Stadt, dass das kaum jemand weiß", sagt Preiß. Derzeit mache sie vielleicht 20 Prozent des normalen Umsatzes und habe "dank" Corona sogar erstmals überhaupt zwei komplette "Null-Euro-Tage" gehabt.

Lieferung ersetzt Biergarten nicht

Den Umsatzeinbruch kann der Lieferservice auch in der Gaststätte "Zum Karlsgraben" nicht wettmachen – auch wenn die Wirtsfamilie Schmidt "überrascht von der großen Nachfrage" ist. Jetzt, direkt vor Ostern, gebe es so viele Bestellungen, dass sie sogar Aufträge ablehnen musste. "Das liegt an unserem großen Einzugsgebiet, das bis nach Roth reicht, wird aber nach Ostern nicht so bleiben."

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Staatliche Hilfen hat auch die Familie Schmidt beantragt. Insbesondere die in normalen Zeiten gerade anlaufende Biergartensaison wird in der Kasse des Gasthauses schmerzlich fehlen. Dazu kommen die Absage der Kirchweih sowie Dutzender Konfirmationen und Geburtstagsfeiern. Selbst wenn die Einschränkungen Mitte Mai gelockert würden, was die Schmidts hoffen, seien diese Anlässe vorbei. "Das holen wir nicht wieder rein", so die Wirtsfamilie.

Ähnlich hört sich das bei Sieghard Hedwig vom Hotel Stadthof an. Urlauber beherbergt das Gästehaus schon seit Wochen nicht mehr, und die werden Hedwig zufolge auch nach Abklingen der Pandemie nicht gleich wieder in alter Zahl vor der Tür stehen. Über Wasser hält sich das Hotel aktuell mit auswärtigen Handwerkern und Geschäftsleuten sowie Personal der Bahn, das beruflich auf der Durchreise ist. "Und wir haben Glück, dass wir mit dem Personal sehr flexibel sind." Das Angebot des Verpächters, die Pacht zu stunden, hat das Betreiber-Ehepaar bislang noch nicht angenommen, lässt vorsorglich aber ebenfalls staatliche Unterstützung prüfen. "Das Ostergeschäft ist weg. Wenn die Restriktionen nochmal verlängert werden, wird’s eng", so Hedwig.

Meist reicht ein ernstes Wort

Die "andere Seite" der Ausgangsbeschränkungen und Betriebsschließungen muss derzeit die Polizei vertreten. Sie setzt in Treuchtlingen auf die Vernunft der Geschäftsleute und Bürger – bisher weitgehend mit Erfolg. "Bei Übertretungen versuchen wir zuerst, mit den Leuten zu reden", erklärt der stellvertretende Inspektionsleiter Matthias Kögel. "Die meisten verstehen es und stellen den Grund ab, dann kommt es auch nicht zu einer Anzeige."

Dennoch seien die Bürger "sehr verunsichert", räumt Kögel ein. Menschentrauben im Supermarkt, aber der Laden nebenan muss schließen – das leuchte vielen nicht ein. "Ich wohne selbst in einem kleinen Ort mit Tante-Emma-Laden", erzählt der stellvertretende Polizeichef. Da sei es schon schwierig zu begründen, warum die Leute dort jetzt nicht mehr einkaufen dürfen. Aktiv kontrolliere die Treuchtlinger Polizei dies auch nicht, sondern nur, wenn Hinweise auf Verstöße vorliegen.

Eis gibt’s nur zum Mitnehmen

Und auch, dass sie sich in der Eisdiele ein Eis holen, sich aber nicht damit auf einen Platz oder eine Parkbank setzen dürfen, irritiert nach wie vor viele Menschen – was Anfang der Woche sogar dazu führte, dass der Wallmüller- und der Partnerschaftsplatz wegen anhaltender Verstöße gesperrt werden mussten. "Schwierig wird das jetzt bei gutem Wetter mit den Radfahrern", so Kögel. "Die müssten eigentlich absteigen, das Rad schieben und dabei ihr Eis essen."

Noch komplizierter wird es für die Beamten schließlich im privaten Bereich. Was tun, wenn Großeltern ihre Enkel betreuen (müssen), während die Eltern arbeiten? Was, wenn Menschen einen Angehörigen selbst pflegen möchten, der nicht im selben Haushalt lebt? "Bisher hatten wir erst einen solchen Fall", erzählt Kögel. "Da haben uns Nachbarn angerufen, weil eine Tochter mit ihrem Kind täglich die Eltern besucht hat. Mit der haben wir gesprochen, und sie war einsichtig."

Führen die Corona-Verordnungen also zu einem zunehmenden "Denunziantentum"? "Ich glaube nicht", meint der Polizeivize. "Ich denke, dass die Leute nur Angst haben, sich anzustecken – gerade wenn in einem Mehrparteienhaus fremde Leute ein- und ausgehen." Generell müsse man solche Situationen nicht starr, sondern "von Fall zu Fall betrachten".


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