Gift und mehr: Warum der Rotmilan Schutz braucht

12.3.2021, 06:04 Uhr
Gift und mehr: Warum der Rotmilan Schutz braucht

© Herbert Henderkes, LBV-Bildarchiv

Zum Schwund seines Lebensraums durch intensive Landwirtschaft kommen immer wieder auch Verluste von Rotmilanen durch Fallen und Giftköder. Letztere kosteten allein in Altmühlfranken in den vergangenen fünf Jahren mehr als einem halben Dutzend der stolzen Vögel das Leben. Im Mai 2019 starb ein Milan durch Vergiftung bei Dittenheim, im Juli 2019 und im Juni 2020 insgesamt drei nahe Nordstetten. In den drei ersten Fällen konnte das verbotene Insektizid Carbofuran als Todesursache nachgewiesen werden.

Und auch die Debatte um die Gefahr durch Windkraftanlagen reißt nicht ab – mit unterschiedlichen Ergebnissen, wie etwa dem Bau von Windrädern trotz Milan auf dem Jura im Gegensatz zur Ablehnung zugunsten des Vogelschutzes beispielsweise beim vor einigen Jahren geplanten Bürgerwindpark nahe Auernheim.


Schon wieder: Rotmilan bei Gunzenhausen vergiftet


"Da ihr weltweiter Verbreitungsschwerpunkt in Deutschland liegt, kommt auch Bayern beim Schutz des Rotmilans eine besondere Verantwortung zu", schreibt nun der Landesbund für Vogelschutz (LBV) in einer Pressemitteilung. Um mehr über den Rückgang der Population herauszufinden, beteilige sich der Naturschutzverband als Partner am internationalen, von der EU geförderten Projekt "Life Eurokite". Dessen Ziel ist es, europaweit "die Gründe für nicht natürliche Todesursachen der Greifvogelart zu untersuchen", so LBV-Projektleiter Torben Langer.

Zu diesem Zweck will der Verband in den kommenden Jahren bis zu 80 junge Rotmilane in sieben bayerischen Landkreisen mit GPS-Sendern ausstatten – darunter auch der Kreis Weißenburg-Gunzenhausen. "Auf diese Weise werden die Naturschützer*innen und alle Interessierten live die Flugrouten der Greifvögel auf einer Karte im Internet mitverfolgen können", heißt es dazu vom LBV.

Im Winter nach Süden

Den Winter verbringt ein Großteil der deutschen Rotmilane in Frankreich oder Spanien. Mildere Temperaturen wie in den vergangenen Wochen locken die Greifvögel, die wegen ihrer charakteristischen Kerbe im Schwanz auch "Gabelweihen" genannt werden, im Frühjahr zurück in ihre heimischen Brutgebiete. Bis Mitte März finden sich die meisten bayerischen Rotmilane üblicherweise wieder im Freistaat ein, wo sie umgehend mit der Balz und der Ausbesserung ihres Horstes beginnen.


Auernheim: Milan verhindert Bürgerwindpark


"Für den LBV bedeutet die Ankunft der Rotmilane dieses Jahr den Beginn einer spannenden Zeit. Sehr unterschiedliche Populationstrends in Europa legen nahe, dass der Rotmilan auch unter der illegalen Verfolgung und hier insbesondere unter Vergiftungen leidet", erläutert Projektleiter Torben Langer. "Da in Deutschland mit etwas mehr als 10 000 Brutpaaren die Hälfte des weltweiten Rotmilan-Bestands lebt, kommt uns beim Schutz dieser Greifvogelart eine besonders große Verantwortung zu."

Rund 80 "Datenrucksäcke"

Im Zuge des Projekts "Life Eurokite" sollen nun in Schwaben, Mittelfranken und Unterfranken insgesamt 80 junge Rotmilane im Nest beringt und mit Sendern ausgestattet werden. Projektgebiete sind neben Altmühlfranken, das von Ost nach West von drei sogenannten Dichtezentren des Rotmilans durchschnitten wird, auch die Landkreise Augsburg, Aichach-Friedberg, Memmingen/Unterallgäu, Rhön-Grabfeld, Bad Kissingen und Main-Spessart. Die ersten Vögel sollen ihren "Datenrucksack" laut LBV bereits im Juni dieses Jahres bekommen.

Auch Windkraftanlagen wie diese hier bei Degersheim werden Milanen bisweilen zum Verhängnis - auch wenn die Zahl der durch Rotorschlag getöteten Vögel im Vergleich zum Straßenverkehr und der Zerstörung des Lebensraums eher gering ist.

Auch Windkraftanlagen wie diese hier bei Degersheim werden Milanen bisweilen zum Verhängnis - auch wenn die Zahl der durch Rotorschlag getöteten Vögel im Vergleich zum Straßenverkehr und der Zerstörung des Lebensraums eher gering ist. © Archivfoto: Patrick Shaw

Anhand der Sender kann Torben Langer in Zukunft alle Bewegungen der Vögel verfolgen, um so in Erfahrung zu bringen, ob und wo einer von ihnen stirbt – und das fast auf den Meter genau. "Dies wiederum ermöglicht es uns, den umgekommenen Rotmilan zeitnah aufzuspüren, ihn zu bergen, die Todesursache festzustellen und im Umfeld der Fundstelle auch Beweise für eventuelle illegale Handlungen sicherzustellen, also zum Beispiel Giftköder, Fallen oder ähnliches", so der Biologe.

Kommt dabei heraus, dass ein Vogel tatsächlich an menschlicher Einwirkung gestorben ist, will der LBV "mit dem Wissen in Zukunft gezielt Gegenmaßnahmen einleiten, um so zum Schutz des Rotmilans in Bayern beizutragen".

Zum Thema:

EU-Milliarden zum Schutz vor dem Menschen

Das „Life“-Programm ist das Finanzierungsinstrument der EU für Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen. Im Förderzeitraum 2014 bis 2020 steht dafür ein Budget in Höhe von 3,4 Milliarden Euro zur Verfügung. Das Unterprogramm „Umwelt“ umfasst Projekte für Naturschutz und biologische Vielfalt, Ressourceneffizienz, Umweltgovernance und Information. Hier ist auch das Projekt „Eurokite“ angesiedelt, das von der Mitteleuropäischen Gesellschaft zur Erhaltung der Greifvögel (MEGEG) koordiniert und von einem Technischen Büro für Biologie in Österreich mit Hilfe von GPS-Telemetrie umgesetzt wird.

Ziel ist der grenzüberschreitende Schutz des ausschließlich in Europa brütenden Rotmilans vor menschgemachten Bedrohungen wie Stromleitungen, Windkraftanlagen, Vergiftung und illegaler Jagd. Mehr zum Projekt gibt es im Internet unter der Adresse www.life-eurokite.eu, mehr zur Umsetzung in Bayern unter www.lbv.de/eurokite und mehr zum Rotmilan unter www.lbv.de/rotmilan.

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