Nach Biberfraß: Wird der Karlsgraben zum Kahlgraben?

17.1.2020, 05:57 Uhr
Nach Biberfraß: Wird der Karlsgraben zum Kahlgraben?

© Foto: Benjamin Huck

Nicht mehr lange, und die etwa 70 Jahre alte Eiche wird im Graben liegen. Stürme und Trockenheit hat sie bislang überstanden, doch ein Nagetier macht ihr nun den Garaus. Der Biber hat am Karlsgraben wieder ein Quartier für den Winter gefunden und knabbert nun reihenweise Bäume an. Für Revierförster Markus Bernholt ist das in diesem Ausmaß ein nicht tragbarer Zustand.

Zwei Mal im Jahr, wenn die Bäume Laub tragen und wenn sie kahl sind, inspiziert der Förster mit seinen Mitarbeitern die Wälder im Stadtgebiet. Bereits im November war aufgefallen, dass sich ein Biber am Karlsgraben niedergelassen und dort bereits eine stattliche Burg gebaut hatte. "Eigentlich sind die Tiere nur im fließenden Gewässer zuhause, aber inzwischen suchen sich die Biber auch immer öfter stehende Gewässer", weiß Bernholt. Sogar in Regenrückhaltebecken seien die Nager bisweilen zu finden.

Wird ein Jungtier erwachsen, wandert es weiter und sucht sich einen neuen Platz zum Niederlassen. Im Sommer ernährt sich der Biber von den Feldfrüchten der Äcker, im Winter sind die Bäume dran.

Der Förster und die Arbeiter des Stadtbauhofs griffen im Dezember zu Gegenmaßnahmen: An gut 200 Bäumen sollten Gitter aus Draht den Biber abhalten, weiter an Rinde und Holz zu nagen. Doch das Tier krabbelte stellenweise darunter durch und erreichte die Bäume trotzdem. Für viele Eichen, Buchen und Elsbeeren ist dies nun das Todesurteil. "In meinen zehn Jahren in Treuchtlingen habe ich noch nie so einen Schaden wahrgenommen", sagt Bernholt.

Passanten schützen

Das stellt den Förster gleich vor mehrere Herausforderungen. Zum einen ist er für die Verkehrssicherung verantwortlich. Einige kleinere Bäume am Rand des Grabens auf der Seite des Radwegs nach Weißenburg hat der Biber schon gefällt. Liegt ein solcher Stamm dann über dem Weg, kann es für Radler und Wanderer gefährlich werden. Zum anderen stabilisieren die Bäume den Hang des Karlsgrabens. Fallen sie weg, könnte Erdreich ins Wasser rutschen.

Viele der Bäume sind zwischen 20 und 70 Jahre alt, dazu gibt es einige Riesen, die dort bereits seit über einem Jahrhundert stehen. Der menschgemachte Waldumbau geht an dieser Stelle ebenfalls vonstatten – so kamen einige Fichten raus, um den Borkenkäfer zu bremsen. Als Ersatz wurden Elsbeeren gepflanzt, ein heimischer Baum, der gut mit der Trockenheit zurecht kommt – aber auch dem Biber schmeckt.

Nach Biberfraß: Wird der Karlsgraben zum Kahlgraben?

© Foto: Benjamin Huck

Markus Bernholt entdeckt eine etwa 20 Jahre alte Elsbeere, die typisch sanduhrförmig angenagt wurde. "Der Baum ist tot, das ist echt schade", bedauert der Förster. Der Stamm steht aber so weit abseits der Fußwege, dass er nicht gefällt werden muss. So wird er seinem Schicksal überlassen: Wenn er abbricht, wird der Biber mit seinen kleinen Zähnen die Rinde abnagen und verspeisen. Immerhin: "So lange er mit diesem Baum beschäftigt ist, greift er keine anderen an."

Wie soll es am Karlsgraben nun weitergehen? Bernholt möchte bald Gespräche mit der Stadt Treuchtlingen als Eigentümerin des Areals sowie mit der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt führen. Dort soll es auch darum gehen, ob der oder die Biber – vermutlich leben dort mehrere Tiere – vielleicht abgeschossen werden können.

Ein Jahrhundert lang ausgestorben

Das ist jedoch nicht so einfach, denn die Nagetiere sind seit Jahrzehnten europaweit geschützt. Zwischen 1860 und 1960 war der Biber in Bayern 100 Jahre lang ausgestorben, in den 1970er Jahren wurden dann an der Donau wieder Tiere "eingebürgert". Die Population hat sich seitdem stabilisiert, etwa 22 000 Biber soll es nach Schätzungen des Bund Naturschutz im Freistaat geben.

Der Förster ist generell nicht gegen die Tiere, er ist allerdings der Meinung, dass sie in ihrem gewohnten Lebensraum bleiben sollten. Den gibt es zum Beispiel an der Rohrach zwischen Wettelsheim und Windischhausen, wo das Biotop inzwischen Teil des überregional vermarkteten Wanderwegs "Ins Tal der Biber" ist. Der Bund Naturschutz, der einst mit der Wiederansiedlung betraut war, sieht die Ausbreitung der Tiere dagegen eher gelassen. Einer Publikation zufolge sei der Biber keine Gefahr für den natürlichen Baumbestand: "Das Kunststück, nie zu viel abzuholzen, beherrscht er perfekt."

Zurück zum Karlsgraben. Förster Markus Bernholt befürchtet durch die tierische Abholzung auch die Zerstörung des Kulturdenkmals, sollte der Biber weitere Bäume anknabbern. "Das gesamte Landschaftsbild, wie wir es kennen, könnte sich verändern." Fällt ein Baum ins Wasser, müsse er aufwendig mit Booten herausgeholt werden.

Und was nach den Bäumen kommt, ist auch im Winter schon sichtbar: Brombeerbüsche überwuchern die Hänge. Kahl wird der Karlsgraben wegen des Bibers also wohl nicht werden, sein Gesicht könnt sich aber durchaus verändern.

13 Kommentare