Nach Paralympics-Verschiebung: Elke Philipp blickt auf 2021

28.3.2020, 06:00 Uhr
Nach Paralympics-Verschiebung: Elke Philipp blickt auf 2021

© Archivfoto: Stefan Lafrentz

Die Olympischen und Paralympischen Spiele, die im Sommer in der japanischen Hauptstadt Tokio stattfinden sollten, wurden wegen der Corona-Pandemie ins Jahr 2021 verschoben. Auch die Treuchtlinger Parareiterin Elke Philipp hatte sich bereits auf die Teilnahme vorbereitet. Wegen ihrer Behinderung zählt die 56-Jährige zur Corona-Risikogruppe: Nach einer Hirnhautentzündung ist ihre Muskelkoordination gestört, ein permanenter Luftröhrenschnitt hilft ihr beim Atmen. Wir sprachen mit ihr über die Tokio-Verschiebung und darüber, wie es für sie nun sportlich weitergehen soll.

Zunächst Frau Philipp, wie geht es Ihnen gerade gesundheitlich?

Elke Philipp: Mir geht es gut. Vor ein paar Wochen war ich noch im Training und wollte eigentlich Mitte März zum ersten Saisonwettbewerb nach Dänemark reisen, aber der wurde rechtzeitig abgesagt. Ich bin dann vorsorglich zu Hause geblieben, um mich nicht anzustecken. Ich verlasse das Haus nur, wenn es nötig ist, etwa zum Einkaufen, wobei ich versuche, Zeiten zu meiden, in denen viel los ist. Wenn mir der Parkplatz zu voll ist, fahre ich wieder nach Hause und versuche es ein anderes Mal. Und wenn es gar nicht geht, lasse ich mir von meiner Schwester etwas besorgen.

Elke Philipp.

Elke Philipp. © Foto: Uta Helkenberg, FN

Wie verbringen Sie die Zeit zu Hause? Das Training am Pferd fällt ja gerade aus.

Philipp: Ja, aber ganz ohne Training geht es nicht. Ich habe zum Glück einen Ergometer zum Radeln daheim, das ist gut für die Ausdauer. Außerdem gehe ich mit meinem Hund nach draußen, dadurch laufe ich viel mehr als vorher. Die körperliche Fitness ist ja generell gut für das Immunsystem. Dazu kommt die richtige Ernährung, die für alle wichtig ist, um gesund zu bleiben. Da haben wir ja als Sportler eine Vorbildfunktion. Außerdem ist unser Impfstatus immer auf dem neuesten Stand, etwa gegen Pneumokokken und Grippe. Das ist sowieso vorgeschrieben, um an internationalen Wettbewerben teilzunehmen. Und im Vergleich zu Mannschaftssportlern, Schwimmern und Boxern habe ich es noch gut, weil die engen Kontakt zueinander und so gar keine Trainingsmöglichkeit haben.

Die Paralympischen Sommerspiele in Tokio werden nun ja nach langem Ringen auf nächstes Jahr verlegt, vielleicht sogar in den Frühling. Eine gute Entscheidung?

Philipp: Auf jeden Fall, denn auch im Sport muss die Gesundheit im Vordergrund stehen. Ich kann aber auch nachvollziehen, warum Thomas Bach (der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees – die Redaktion) und die Verantwortlichen des Internationalen Paralympischen Komitees zunächst gezögert haben. Denn durch die Absage könnten Sportlern, die davon leben, viele Einnahmen durch Sponsoren verloren gehen. Nicht alle Spitzensportler und Verbände verdienen so viel Geld wie Fußballer. Auch für die Organisatoren geht viel Geld verloren – allein die Wohnungen für die Athleten sind schon für eine Nachnutzung verkauft und stehen nächstes Jahr vielleicht nicht mehr zur Verfügung. Aber nachdem jetzt auch in Japan die Infektionszahlen steigen, war das eine gute Entscheidung. Es wird bestimmt ein Weg und ein guter Kompromiss gefunden. Für uns Reiter ist der Druck nun erst einmal weg, weil wir das ausgefallene Training schlecht hätten aufholen können. Die finanzielle Förderung geht für uns zum Glück weiter.

Sie betreiben Ihren Sport ja nicht allein, sondern im "Team" mit ihren Pferden. Wie geht es denen gerade?

Philipp: Die Pferde sind in Frankfurt im Stall und werden nach einem Minimalprogramm betreut, um die artgerechte Haltung sicherzustellen. Durch die Vorgaben der Deutschen Reiterlichen Vereinigung FN ist der Zugang zum Stall beschränkt, und zwar für alle Trainer. Nur die Personen, die für die Versorgung der Pferde zuständig sind, dürfen rein. Das macht bei mir meine Bereiterin. Hätten die Sommerspiele trotzdem stattgefunden, hätte es eine große Ungerechtigkeit gegeben, weil ja bei uns mindestens vier Wochen Training wegfallen. Keiner hätte die Leistung umsetzen können, weil die Trainingsbedingungen in keiner Sportart gegeben wären. Außerdem hätte jetzt schon die Umstellung des Biorhythmus beginnen müssen, damit sich der Körper an die Zeitumstellung gewöhnt. Für die Athleten ist so ein Flug schon anstrengender als etwa für Urlauber, die ja entspannen können. Und jetzt ist das erst mal alles verschoben, das kann für viele Sportler schon eine starke Belastung sein.

Wirft Sie das zurück in Ihren Bestrebungen, weiterhin bei den Paralympischen Spielen anzutreten?

Philipp: Zunächst war die Verschiebung gut, weil es sonst unfaire Verhältnisse gegeben hätte. In anderen Ländern können die Sportler vielleicht besser trainieren, weil es nicht so strikte Maßnahmen gibt. Außerdem ist es gerade schwierig, die Dopingkontrollen aufrechtzuerhalten, denn da kommt man unweigerlich in Kontakt miteinander, der ja gerade ausbleiben soll. Da ist es nicht gewährleistet, dass alles mit fairen Mitteln zugeht. Was ebenfalls noch völlig unklar ist: Wir als deutsches Team haben uns bereits Ende 2018 für die Paralympics qualifiziert. Ob die Teilnahmeerlaubnis aufrechterhalten wird oder wir uns noch mal beweisen müssen, wird in den nächsten Tagen geklärt. Bislang soll aber daran festgehalten werden.

Sie sehen also trotz Absage noch positiv in die Zukunft?

Philipp: Ja, denn wie gesagt, die Gesundheit steht im Vordergrund. Und es ist auch gut zu sehen, dass die Menschen wirklich zu Hause bleiben, um so die Ausbreitung zu verhindern, damit der Verlauf eine flache Kurve nimmt. Es gibt nicht so viele Intensivbetten, um alle schweren Fälle zu behandeln, wenn die Zahl der Kranken explodieren würde. Ich hoffe, dass die Politiker dadurch auch einsehen, dass sich im Gesundheitssystem etwas ändern muss. Vielleicht sollten wir alltägliche Medikamente wieder in Europa herstellen und nicht nur in Indien und China, wo es günstiger ist. Dieses medizinische Kernstück sollte wieder nach Europa geholt werden. Außerdem hoffe ich, dass es künftig mehr Wertschätzung für Ärzte, Pflegerinnen und Verkäuferinnen gibt, die gerade an vorderster Front stehen. Vor ein paar Wochen hätte man ja niemals daran gedacht, dass es jetzt so weit kommt. Lieber sollten sich alle jetzt ein bisschen einschränken, umso schneller geht es dann wieder los. Wir dürfen jetzt nicht aufgeben und den Mut verlieren, das Leben geht weiter – schön wäre es, wenn es auch mit einem selbst weitergeht.

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